MaZ: Bald heißt es Abschied nehmen

Für Jona sind in Bolivien die letzten Wochen seines Freiwilligendienstes angebrochen. In seinem Rundbrief erzählt er, was er auf der Arbeit erlebt hat und welche Ausflüge ihm besonders in Erinnerung bleiben werden.

Seine Mutter hat Jona in Cochabamba besucht

Ich habe lange Zeit das Ziel gehabt mit den Kindern viel Englisch oder Mathe zu machen. Einige gehen bald von der Schule und haben das Ziel zu studieren. Um an einer public university hier allerdings studieren zu können, muss man einen Test machen. Ich habe ihnen angeboten, dass wir zusammen dafür lernen. Beides hat aber nicht so gut geklappt, wie ich das erwartet und erhofft hatte.

Dadurch habe ich aber realisiert, dass es nicht meine Aufgabe ist, die ganze Zeit nur zu üben und ihnen zu sagen, was für sie besser ist. Das weiß ich nämlich nicht. Meine Aufgabe ist es eher, eine Person in ihrem Leben zu sein, an ihrem Leben teilzuhaben und ihnen eine andere Möglichkeit zu zeigen, wie das Leben auch laufen kann. Das habe ich für mich herausgefunden, auch wenn es relativ lange gedauert hat.

Dadurch hat sich meine Beziehung zu den Jugendlichen deutlich gebessert. Und nun ist die Beziehung wirklich gut. Die Jugendlichen freuen sich (habe ich zumindest das Gefühl), wenn sie mich sehen und bezeichnen mich als guten Freund. Auch gibt es immer mal wieder Jugendliche, die mich nach Rat fragen und mir Dinge anvertrauen, so etwa Probleme mit Mädchen oder in der Schule. Das ehrt mich sehr.
Außerhalb dessen tanzen wir auch manchmal zusammen, und ich hoffe, dass sie sich dadurch mehr mit der Idee anfreunden können, zu tanzen.

Vor Kurzem gab es in der Fundacion einen Besuch von „TDH“, einer Spendenorganisation aus der Schweiz. Die Kinder haben das Projekt vorgestellt und teilweise von ihrem Leben berichtet. Ich war sehr beeindruckt und auch irgendwie stolz. Und TDH schien auch begeistert von den Präsentationsfähigkeiten und generell den Kindern zu sein, was mich wirklich sehr gefreut hat.

Auch mit den Jüngeren habe ich ein gutes Verhältnis und versuche ihnen im Alltag bei so wenig wie möglichen Dingen zu helfen, die sie selbst lösen können. Das hört sich erst einmal komisch an, aber ich habe das Gefühl, dass bei einigen Kindern das Selbstvertrauen wächst, wenn sie etwas schaffen, was sie möglicherweise nicht erwartet haben. Ein lautes High Five und ein Grinsen auf ihren Gesichtern freuen mich dann besonders. Das gibt mir deutlich mehr, als ich den Kindern geben kann…

Vor Kurzem habe ich mit einem Jungen geredet und ihn gefragt, welche Rolle für ihn das Projekt Fenix, die anderen Kinder und wir Betreuer spielen. Er sagte: „Es ist für mich wie eine Ersatzfamilie, für die Familie, die mich verlassen hat“. Das hat mich wirklich berührt und mir noch einmal die Wichtigkeit des Projektes gezeigt. Auch wenn ich manchmal meine Probleme mit dem Projekt habe, zeigt das nochmal eine sehr andere Perspektive und das ich mich selbst mit meinen „Problemchen“ nicht so wichtig nehmen sollte.

Immer mal wieder kommen Mütter, die während des Projektes kochen, mit ihren ganz kleinen Kindern zu uns. Die Aufgabe, mit den kleinen Kindern zu spielen, übernehme ich immer liebend gern. Was ich immer sehr cool finde ist, wenn die Kinder mit der Zeit mehr Zuneigung und Vertrauen in mich bekommen.

Wenn die Kinder nicht im Projekt sind, unterstütze ich unsere Chefs. Ich fülle Listen in Excel aus oder plane Aktivitäten. Die Fundacion arbeitet viel mit anderen Schulen zusammen und veranstaltet dort Aktivitäten. Dabei helfe ich auch, fotografiere und rede mit den Kindern der Brigit Scholar. Das sind die Klassensprecher der einzelnen Klassen.

Das ist immer echt nett und teilweise habe ich auch ein gutes Verhältnis mit den Lehrern. Lange Zeit habe ich versucht, an den Schulen auch mehr zu arbeiten. Viele Lehrer schienen dies zu wollen, aber wir brauchten die Einverständniserklärung des Direktors und die habe ich leider nie bekommen, sodass sich dieses Projekt nicht verwirklichen ließ. Manchmal besuchen wir auch die Familien der Kinder. Die Fundacion hat im Generellen eine gute Beziehung zu den Familien und die Eltern waren sehr offen. Dies liegt daran, dass die Familien Probleme in der Fundacion eine Anlaufstelle haben, um notfalls auch mal finanzielle Unterstützung zu bekommen.

Außerhalb der Arbeit hat sich bei mir nicht allzu viel verändert. Mein Freundeskreis ist seit Dezember weitgehend gleichgeblieben, was ich allerdings als etwas Positives empfinde – unsere Beziehungen sind dadurch noch enger und vertrauter geworden.
Ich unternehme häufig etwas mit Freunden – wir gehen gemeinsam essen, ins Café oder verbringen auf andere Weise Zeit miteinander. Außerdem bereite ich mich derzeit auf mein zukünftiges Studium vor. Der Alltag hier, ist eben zum Alltag geworden, sodass es sich für mich unter der Woche nicht so anfühlt, als würde ich besonders viel machen.

Aber manche Dinge waren schon besonders. Ich war beim Karneval in Oruro. Das ist eines der größten Karnevalsfeste weltweit. Trotz alledem sehr anders, als der Karneval in Köln. Welcher jetzt besser ist, überlasse ich aber jedem selber. Egal wie man zu ihm steht, hat er hier eine wirklich große Bedeutung. Jeder meiner Arbeitskollegen oder Freunde hat mich zu dem Karnevalszug ausgefragt und ihn sehr hoch angepriesen.

Ich hatte auch die Möglichkeit, mir Uyuna anzusehen. Das ist eine Salzwüste und sieht wirklich aus wie der Himmel auf Erden. Kein Scherz. Bolivien ist wirklich wunderschön und eines der schönsten Länder, in denen ich bisher war.

Jetzt ist es schon bald vorbei. In ziemlich genau sechs Wochen fliege ich zurück nach Deutschland. Ich denke daran mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich vermisse meine Familie und Freunde. Und ich kann es kaum erwarten, sie wiederzusehen. Kurz war meine Mutter hier für fünf Tage und die Zeit habe ich echt genossen. Wir waren kurz in der Fundacion, damit sie sich ein Bild von dem machen kann, wo und wie ich arbeite, und dann waren in Torotoro. Das ist ein Nationalpark, nicht weit von Cochabamba (4 Stunden), bei dem es viele Dinosaurierspuren zu entdecken gibt. Das hat mich meine Heimat noch mal etwas mehr vermissen lassen.

Auf der anderen Seite habe ich mich hier echt gut eingelebt und einige wirklich gute Freunde gefunden. Immer wenn ich in meine Wohnung gehe, nenne ich es mein Zuhause. Es ist wirklich wie ein Zuhause geworden, zumindest annähernd.

Ich werde mich jetzt echt nochmal auf meinen Abschied mental vorbereiten, und nochmal wichtige Orte abgehen, da diese sechs Wochen echt verfliegen werden.

Jona

Jona hat den bekannten Karnevalsumzug besucht
Jona in der Salzwüste
Im Nationalpark Torotoro