MaZ: „Lass dich auf dein Gegenüber ein“

Mouna fühlt sich von ihrem Einsatz als Missionarin auf Zeit in Madrid reichlich beschenkt. Warum ein Freiwilligendienst auch in Europa international und spannend sein kann, beschreibt sie in ihrem Rundbrief.

Mouna beim Cedia Projekt

Hola a todos, espero que todo vaya bien :) Ich bin Mouna, MaZ in Spanien und freue mich, über meinen Einsatz in Madrid berichten zu können. Eventuell denkst du dir jetzt: Missionarin auf Zeit in Spanien?! Dies war jedenfalls mein erster Gedanke. Ich kann dir aber versichern, wie bunt, international und vielseitig das Leben und der Einsatz hier sein können.

„Alles gut, ist doch selbstverständlich”, sagte ich.  – „Nein, Mouna, das ist keine Kleinigkeit”, sagte sie. Ein kleiner Teil, am Ende eines Gespräches mit einer Frau auf meiner Arbeit. Sie erzählte mir im Laufe eines Gesprächs, das zuerst oberflächlich begann, was sie momentan wirklich belastet. Für mich war es im ersten Moment selbstverständlich, einfach nur zuzuhören. Im nächsten Moment bemerkte ich dann, dass es für einige von uns gar nicht so selbstverständlich ist, einfach mal frei reden zu können, ohne wertende Antworten zu bekommen. Eine Sache, die für mich eine Kleinigkeit war, hatte sie berührt, die dann wiederum berührt hat. Begegnungen wie diese, machen meinen Einsatz aus: Zu merken, dass Kleinigkeiten eigentlich keine Kleinigkeiten sind. Zu merken, worauf der Fokus im Leben eigentlich gesetzt ist. Zu merken, wie wichtig tiefe zwischenmenschliche Beziehungen sind. Zu merken, wie wichtig gegenseitige Unterstützung ist. Zu merken, dass ein Miteinander alles einfacher machen kann.

Und genau auf diese Punkte möchte ich genauer eingehen. Ob bei meiner Arbeitsstelle, oder bei der gemeinsamen Zeit mit den Schwestern oder einfach beim Spazieren durch die Stadt: Hier erlebe ich täglich wie viel mehr wir aus diesem Leben mitnehmen können. Um es dir genauer beschreiben zu können, gehe ich einfach näher auf meine Arbeitsstellen ein. Ich arbeite bei der Caritas Madrid in zwei verschiedenen Projekten. Mittwochs- und freitasgabend arbeite ich als Freiwillige bei Cedia. Cedia ist ein Notfallzentrum für wohnungslose Menschen. Sie können dort einige Wochen schlafen, essen und tagsüber an Workshops oder Kursen teilnehmen. Ich helfe den Sozialarbeiter*innen bei der Essensausgabe, gebe freitagabends eine Art Kreativkurs, bei dem wir uns mit den Emotionen und Gefühlen mithilfe von künstlerischen Mitteln beschäftigen, nehme am Bibelteilen teil und verbringe einfach Zeit mit den Menschen, indem wir beispielsweise Spiele spielen, zusammen singen usw.

Ich verbringe super gerne Zeit bei Cedia, da du jede*m*r auf Augenhöhe begegnest. Du lernst jede Woche neue Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern kennen und lernst das Wort Wertschätzung und Zusammenarbeit in einem ganz neuen Kontext kennen. Meine Begegnung, die ich anfangs bereits angeschnitten habe, hatte ich ebenfalls bei Cedia. Momente, die auf den ersten Blick total einfach erscheinen, tragen im nächsten Moment so viel mehr Gewicht. Aufmerksam auf seine Mitmenschen zu achten, egal in welchem Kontext, vergessen wir viel zu oft. Eine Sache, die ich nun aktiv lebe, zuvor jedoch als normal angesehen habe. Denn jede*r von uns möchte gesehen werden. Möchte sprechen können. Ohne Angst zu haben, etwas nicht sagen zu können. Vielleicht ist es für uns selbstverständlich unsere Meinung frei zu äußern. Sagen zu können, wenn uns etwas nicht passt. Für andere können jedoch genau diese Punkte eine Hürde oder ein Verbot sein oder pure Scham auslösen.

Umso dankbarer bin ich, die Chance bekommen zu haben, mithilfe von künstlerischen Mitteln gemeinsam bestimmte Gefühle zum Ausdruck zu bringen, die sich allein mit der Sprache oft schwierig vermitteln lassen. Eins möchte ich sagen: Lass dich auf dein gegenüber ein. Lass zu, dich von Begegnungen bewegen zu lassen und lass es zu, gemeinsam auf den Weg zu gehen. Denn diese Worte werden vielleicht auch deinen MaZ-Einsatz tragen oder dich in deinem Leben begleiten.

Neben meiner Arbeit bei Cedia, arbeite ich beim Campus Caritas. Campus Caritas ist ein vielseitiges Zentrum der Caritas Madrid, das viele Möglichkeiten für Jugendliche und Erwachsene in den Bereichen Weiterbildung, Berufsorientierung, Persönlichkeitsentwicklung etc. anbietet. Ich arbeite dort jedoch nur mit jungen Erwachsenen zwischen 16-30 Jahren. Der Campus soll für sie ein Angebot sein, sich beruflich entdecken zu können, sich in die Arbeitswelt integrieren zu können, sowie innovative Perspektiven zu finden. Mithilfe von verschiedenen Kursen sowie Beratungsgesprächen werden sie begleitet, zu sich selbst zu finden und ihre Fähigkeiten zu erforschen und diese in Workshops auszubauen. Gemeinsam mit Anna, meiner Mitfreiwilligen, begleite ich Kurse, verbringe Zeit mit ihnen z.B. im Gemeinschaftsraum oder gebe Englischkurse, da dies eine wichtige Rolle in der heutigen Arbeitswelt spielt. Die Arbeit im Campus ist für mich ebenfalls eine große Bereicherung, da wir dort hauptsächlich mit Jugendlichen aus südamerikanischen oder arabischen Ländern arbeiten. Dadurch lernen wir täglich Neues aus unterschiedlichen Kulturen und merken wie ähnlich besonders wir jungen Menschen uns sind. Es ist ein stetiges voneinander lernen, bei dem keine Unterschiede der Herkunft oder anhand des Aussehens gemacht werden. Die Sprache ist dabei ein schönes Beispiel: Wir lernen Spanisch, sie Englisch und jede*r weiß genau, wie es sich anfühlt, wenn es Schwierigkeiten oder Unsicherheiten gibt.

Zu wissen, dass du mit deinen Ängsten und Sorgen nicht alleine bist, merke ich nicht nur bei meiner Arbeit, sondern auch in meinem Leben mit unseren Schwestern hier in Madrid. Anna und ich leben nämlich nicht wie üblich mit in der Kommunität, sondern in einer gestellten Wohnung, welche knapp 20 Minuten vom Zentrum entfernt ist. Anfangs scheint dies vielleicht als eine weitere Herausforderung, da du plötzlich für dich selbst sorgen musst. Jedoch stehen uns die Schwestern bei jeder Frage zur Seite, sind immer erreichbar und auch wenn man nicht im selben Haus wohnt, Teil des täglichen Lebens. Anna und ich sind beide in einem Chor, welcher von Sr. Clara geleitet wird. Gemeinsam mit ihr, Sr. Delia und ein paar Frauen aus einem weiteren Projekt der Caritas singen wir sonntags in der Abendmesse. Trotz der bestimmten Entfernung verbringen wir jedes Fest gemeinsam und werden aktiv mit eingebunden. Ich kann also sagen, dass ich mich noch nie alleine gefühlt habe, da die Schwestern Anna und mir immer ein offenes Ohr schenken, an unserer Seite stehen und uns ein Gefühl einer zweiten Familie geben.

Abschließend kann ich nur sagen, dass du dich in deinem Einsatz neu entdecken kannst. Du kannst mit Menschen aus der ganzen Welt arbeiten, dich mit sozial-politischen Themen auseinandersetzen und ganz neue Seiten an dir finden, die du vorher eventuell noch gar nicht kanntest und dich dabei auf Menschen verlassen, die dich sehen und wertschätzen. Ich denke, dies beschreibt ebenfalls ganz gut die spanische Mentalität, da es hier keinen Tag gibt, an dem dir nicht das Gefühl von Wärme geschenkt wird. Denn hier wird „liebe deinen Nächsten” nicht bloß gesagt, sondern gelebt.

Mouna

Beim Projekt Cedia fühlt sich Mouna sehr wohl