MaZ: Mit Kleinigkeiten eine Freude bereiten

Aus der behaglichen deutschen Kleinstadt und dem Uni-Alltag in die spanische Metropole - das war für Corinna durchaus ein Kulturschock. Welche Aufgaben sie als Freiwillige in Madrid hat, beschreibt sie in ihrem Rundbrief.

Corinna unter den Bannern gegen genderbasierte Gewalt

Die Reaktionen vor meiner Abreise nach Madrid waren erstmal von Unverständnis durchsetzt  – was man denn dort als Freiwilligendienst tun könnte? Tja, so anders als in deutschen Großstädten mag das Aufgabenspektrum der Caritas Madrid zwar nicht sein, aber es ist doch eine andere Sache, ins Ausland mit anderen Landessprachen zu gehen und vor allem ganz klar als Alltagspriorität das Ehrenamt zu setzen. Sowie an die Ordensgemeinschaft auf besondere Weise angebunden zu sein. Von den vielfältigen neuen Perspektiven auf gesellschaftliche Zusammenhänge möchte ich in den folgenden Zeilen berichten.

Knapp drei Monaten nach meiner 25-stündigen Busfahrt gen Süden haben sich ein paar Routinen eingespielt, aber doch ist jede Woche anders als die vorangegangene. Deshalb bin ich mir auch gewiss, dass in den kommenden Monaten noch einiges in stetem Wandel sein wird und mir sicher nicht langweilig wird.

Nun ist es so, dass ich hier als Freiwillige bei der Caritas Madrid eine von Tausenden bin und mein Profil und das von Klara, meiner Mit-MAZ, als „Vollzeitfreiwillige“ unter den vielen Berufstätigen mit einer wöchentlichen 2-Stunden-„Schicht“ und Rentner*innen eher einzigartig ist. Es hat relativ viel Einsatz und Kommunikation erfordert, bis wir nun in den Projekten unsere Rollen gefunden haben, denn schließlich sind wir auch in keiner Weise Fachkräfte und sollten auch nicht zu viel im Weg stehen.

Die Projekte sind ähnlich zu denen, in denen unsere MaZ-„Vorgängerinnen“ hier in Madrid waren, nämlich CEDIA, ein Tageszentrum, das auch Schlafplätze für Wohnungslose bietet, und „Atención a la Mujer“, ein Tageszentrum für Frauen in prekären Situationen. Zusätzlich bin ich an zwei Abenden als Unterstützung einer Hausaufgabenbetreuung in einem Wohnkomplex der Caritas für sozial schwache Familien tätig, sowie freitags für „Freizeitbetreuung“. Mit dieser Gruppe werde ich auch in den anstehenden Weihnachtsferien zahlreiche Tagesausflüge bestreiten. Die Kinder haben verschiedene kulturelle Hintergründe und erweitern mein Spanischvokabular nochmal auf ganz neue Weise, auch lerne ich Details des spanischen Schulsystems kennen. Jede Einheit ist anders, aber meist mit einigen Lachern aufgefrischt und die Kinder kommen gerne (wenn auch nicht immer mit der Motivation, ihre Hausaufgaben zu machen).

Bei CEDIA bin ich wöchentlich zweimal abends und einmal mittags jeweils drei bis vier Stunden. Eine fixe Aufgabe ist immer, bei der Essensausgabe und allem, was dazugehört zu unterstützen. Dadurch wurde ich sehr schnell mit dem kulinarischen Vokabular vertraut. Neben dieser Routinetätigkeit bin ich auch im Tageszentrum. Das bedeutet, dass ich erstmal einfach nur da bin und sich immer irgendetwas ergibt. Sei es, dass ich ganz praktisch beim Umgang mit den Computern unterstütze, aber auch Brettspiele spiele oder verschiedenste Gespräche in Gruppen oder auch im 1:1 führe. In den vergangenen Wochen habe ich mich definitiv im Small-Talk geübt und fühle mich insgesamt sicherer darin, wie ich auf Menschen zugehe - oder wann besser nicht. Zu manchen hat sich auch ein gutes bekanntschaftliches Verhältnis aufgebaut. Besonders ist auf jeden Fall die kulturelle Vielfalt: Es werden verschiedenste Sprachen gesprochen. Ein berührender Moment war, als mir jemand gesagt hat, wie gut es ihm getan hat, mal wieder Französisch, die Sprache seiner Schulzeit, mit mir zu sprechen. Ab und an bin ich auch nach der Mittagsschicht noch bei einem Ausflug (beispielsweise in ein Museum) dabei, da kommt man noch mal ganz anders in den Austausch und teilt ein gemeinsames Erlebnis.

Im Frauenzentrum ist es meist deutlich ruhiger, aber die Aufgaben gehen in eine ähnliche Richtung. Dadurch, dass die Steyler Schwestern über dem Zentrum wohnen und auch fast immer mindestens eine Schwester im Projekt ist, ist die Verbindung zum Projekt hier etwas enger. Unsere Einsatzzeiten können stark variieren, weil wir als „Springerinnen“ zur Verfügung stehen, falls andere Freiwillige ausfallen, oder einfach zusätzlicher Bedarf besteht. Beispielsweise gab es zum Tag gegen genderbasierte Gewalt eine Aktion zahlreicher sozialer Einrichtungen aus dem Stadtzentrum, wofür vorab projektweise Banner gemalt wurden, die dann getragen wurden und es noch weitere „awareness“ und „empowerment“ Aktivitäten sowie eine kleine Demo gab (leider hat das Wetter nicht mitgespielt, sodass die Öffentlichkeitswirksamkeit nur recht mau ausfiel).

Jetzt in der Adventszeit überschlagen sich die Ereignisse. Jedes Projekt hat seine eigenen Bastel- und Dekorationsaktionen. Es ist nicht ganz einfach, ein gutes Terminmanagement zu realisieren, aber im Großen und Ganzen gelingt es mir ganz gut, mit dem Herzen ganz bei der Veranstaltung zu sein, wo ich nun eben bin. Gleichzeitigkeiten auszuhalten, lerne ich hier auf jeden Fall, Prioritäten setzen und klar meine Verfügbarkeiten und Fähigkeiten zu kommunizieren. Jedenfalls probiere ich hier ganz verschiedene kreative Tätigkeiten aus, die ich mir „zuhause“ eher nicht zugetraut hätte. Sei es im Chor singen, gelegentlich mit der Querflöte mitspielen, kleine Bastelaktionen anleiten, etc. Ich versuche aus meinem Erfahrungsschatz aus meiner eigenen Kindheit zu zehren, was Weihnachtsrituale angeht. Im Laufe der Jahre habe ich diese zwar in der Vergangenheit als albern abgetan, in den Projekten merke ich nun aber, wie viel Sicherheit solche Rituale Menschen geben können. Gerade, wenn das Leben sonst alle möglichen unschönen Überraschungen bereithalten kann. Kleine Aufgaben in Gemeinschaft bekommen wieder einen ganz besonderen Wert, Freude an den Details, in die jede und jeder seine Persönlichkeit ein bisschen einbringen kann, ohne dafür bewertet zu werden. Zu merken, dass man kein besonderes Talent haben muss, um überhaupt eine Aufgabe umzusetzen, ist sehr bereichernd. Einfach mal machen und nicht im Stillstand verharren, sondern mit solchen Kleinigkeiten andere Menschen ein bisschen aus der Lethargie und Mutlosigkeit holen, sei es nur Ablenkung für den Moment.

Auch wenn ich hier bei meinen Mitmenschen außerhalb der Kommunität gelegentlich auf Unverständnis ob meines „Einsatzes“ stoße, so bin ich dennoch sehr im Reinen mit meinen Tätigkeiten. In dieser Großstadt voller pulsierendem Massenkonsum, insbesondere jetzt zur Adventszeit mit verschwenderischen Lichtinstallationen und Menschenmassen in der Innenstadt, tut es sehr gut, in der Kommunität mit den Schwestern im Gebet einen Ruhepol zu finden. Ich versuche möglichst oft zu den Mahlzeiten bei den Schwestern zu sein, aber durch die geografische Verstreuung der Projekte ist das nicht immer möglich. Mindestens am Sonntag steht aber immer noch ein besonderes Highlight in der Pfarrei der Schwestern an, nämlich die Chorprobe zur anschließenden musikalischen Begleitung der Abendmesse mit einigen Frauen aus dem Tageszentrum. Insgesamt habe ich durch die regelmäßige Teilnahme an verschiedenen Messen in verschiedenen Pfarreien die Vielfältigkeit der Gestaltung ebendieser und der Auslegung der Bibel kennengelernt. Es sind einprägsame Erfahrungen, sei es bei Jugendgebeten oder Friedensgebet in der randvollen Kathedrale, dem „Círculo de Silencio“ am Freitagabend an einem Knotenpunkt der Innenstadt, um Geflüchteten und Migrant*innen Sichtbarkeit zu verschaffen, die prunkvolle Prozession zum Patronatsfest oder die Bibelgruppe der Seniorinnen in einer der Gemeinden der Steyler Brüder (wir wohnen sehr in der Nähe) oder oder oder...

Für den Moment bin ich einfach froh und dankbar, dass mich diese MaZ-Möglichkeit gefunden hat. Es ermöglichen sich so viele wertvolle Begegnungen, die viel Gedankenfutter bereithalten. Ich freue mich sehr darauf, was die kommenden Monate bringen und wie ich vielleicht an der ein oder anderen Stelle noch etwas mehr beitragen kann.

Corinna

Beim (fragwürdigen) Nationalfeiertag: Flaggen aller ehemaligen Kolonien
Prozession zum Patroninnenfest der Kathedrale Almudena
Die Seniorinnengruppe in der Gemeinde der Steyler Brüder