MaZ: Die Schönheit im Begrenzten

Wir feiern in diesen Tagen Weihnachten. Mit Weihnachten feiern wir den Geburtstag eines guten Freundes, der uns immer begleitet und uns immer beisteht auch in schlechten Zeiten. Er ist treu. Was wir am 24. gefeiert haben in den Kirchen, den Familien oder wie ich hier in Posadas im Kloster, ist die Ankunft des Himmels auf der Erde durch Jesus Christus.

Das nennen wir Weihnachten. In diesem Sinne wünsche ich euch ein frohes Fest und viel Segen Gottes. Dass ihr diese Tage mit viel Liebe angeht und diese auch geschenkt bekommt.

Um uns auf ein schönes Weihnachtsfest einzustellen, haben wir ja eine Menge Bräuche bei uns. Angefangen mit dem Adventskranz, dem Adventskalender, bis hin zum Glühwein auf den mit Lichtern befluteten Weihnachtsmarkt. Dieser Monat der Liebe und Besinnlichkeit, so wie wir sagen, endet dann schließlich jetzt mit dem Höhepunkt, der Heiligen Nacht, in der alles stimmen muss, die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum liegen, und es das leckerste Essen des Jahres gibt. Viel Arbeit, die uns in diesem Monat immer begleitet.

Ihr fragt euch bestimmt, wie ich diesen Monat hier in Argentinien, im tropischen Misiones wahrgenommen habe. Nun ja, der Advent fing wie bei euch am Ersten Advent an. Die Kirche war leicht geschmückt, es war ein schwüler, sonniger Tag und im Innenraum der Kirche waren die Ventilatoren eingeschaltet. In der Mitte allerdings, stand wie bei uns ein Adventskranz mit vier Kerzen.
Auch bei uns in der Kapelle im Altersheim hatten wir einen schön geschmückten Kranz stehen, den wir allerdings bis zum Vierten Advent nicht angezündet haben. Am Vierten Advent wurde er dann zum ersten und letzten Mal gebraucht, weil wir an diesem Sonntag unsere Weihnachtsfeier im Altersheim hatten. Um diese so schön wie möglich zu gestalten und um auch einfach so ein bisschen Weihnachtsstimmung zu machen, haben wir viel, viel vorbereitet in diesem Monat.

Der Dezember hier bei uns war ein stürmischer Monat. Es regnet hier nahezu täglich, zwei- bis fünfmal die Woche haben wir schwere Gewitter mit Stürmen und Blitzen. Stromausfälle sind keine Seltenheit im Altersheim. Etwas bedrückend war die Nachricht, dass dieses Wetter – also eine Mischung aus schwülen, heißen Tagen mit immer wiederkehrenden Stürmen – mich bis April begleiten wird, wir seien aber im Moment am Höhepunkt und es würde mit der Zeit ruhiger werden. Die Provinz Misiones sei sowieso auf dem dritten Platz der meisten Stürme weltweit. Ihr müsst euch allerdings keine Sorgen machen, bis jetzt ist noch nichts passiert und hier gibt es auch die nötigen Sicherheitsvorkehrungen.

Naja ich will wieder auf die Vorbereitung unserer Weihnacht zurückkommen:
Im Zentrum unserer Vorbereitungen standen zum einen der Weihnachtsbaum. Er sieht etwas anders aus, als ich es gewohnt bin, und war viel, viel mehr Arbeit. Da sage einer, die Argentinier kennen kein Pfandflaschensystem und es wir in Deutschland gingen mit dem Plastikmüll besser um. Es ist zwar wahr, dass es sowas wie Pfandflaschen hier nicht gibt, allerdings werden die Flaschen hier nicht einfach weggeworfen. Nach dem Vorbild eines wahren "Weihnachtsdorfes" namens Capiovi, in dem das ganze Jahr für Weihnachten und den Advent vorbereitet und gebastelt wird, haben wir auch unseren Baum gestaltet – ohne ein Stück Holz.
Wir sammelten Plastikflaschen an allen Ecken Rocas; ich weiß letztendlich nicht, wie viele es waren. Diese Pfandflaschen haben wir dann wiederverwertet, indem wir sie ausschnitten, ansprayten und dann schließlich mit viel Draht an einem Metallgestell, das mehr wie ein Schwenkgrill als ein Baum aussah.
Die Arbeit an unserem Bäumchen ging Tage lang, da wir mehrere hunderte Flaschen verarbeiten mussten. Aber der Einsatz des Personals war einzigartig, da sie teilweise ihren freien Nachmittag bis abends opferten, um mit den Vorbereitungen voranzukommen. Nach meinen anfänglichen Zweifeln, fand ich den Baum am Ende echt hübsch und er steht nun seit zwei Wochen bei uns im Garten und wird dort auch noch eine Weile bleiben.

Ein anderes Projekt war die Krippe. Diese steht im Eingangsbereich des Altersheims und war im Vergleich zum Baum relativ schnell aufgestellt. Es musste lediglich ein Gestell aus Holz gebaut werden, was mit einem Stoff, ein bisschen Grün und letztendlich den Figuren vervollständigt wurde.
Damit auch die Abuelitos, die Heimbewohner, etwas beitragen konnten, studierte ich mit denen, die konnten, zwei Lieder ein. So hatten wir sogar einen kleinen, aber feinen Chor für unsere Weihnachtsfeier. Ich begleitete sie auf einem kleinen Keyboard und wir sangen "Stille Nacht" und "Jingle Bells" auf Spanisch. Es war nicht immer leicht, aber es wurde mit Mal zu Mal besser.

Und so verging die Weihnachtszeit relativ schnell im Altersheim. Einen Adventskalender gab es zwar nicht, allerdings habe ich immer wieder kleine Geschenke bekommen. Diese Geschenke waren nicht etwas Materielles wie z.B. eine Tafel Schokolade oder einer anderen Kleinigkeit. Die Geschenke waren eine Ablenkung vom Alltag und eine Erweiterung meines Horizontes.
Schwester Ana, die ihren Bruder zu Besuch hatte, nahm mich nämlich öfters abseits meiner Arbeit mit in die Dörfer der Aborigenes, den Ureinwohnern, nach Capiovi, das Dorf, in dem Weihnachten ganz groß geschrieben wird, oder auch einfach mal mit an den Fluss, um ein bisschen zu entspannen und die schöne Natur der Provinz zu genießen.

Nun kam die Zeit der Weihnachtsfeiern. Weihnachten ist dieses Jahr zwar an einem anderen Ort und ohne meine Familie, dafür habe ich es gleich dreimal gefeiert. Für die erste Weihnacht ging es mit Schwester Ana in ein Dorf der Ureinwohner. Dieses Dorf ist wirklich winzig, es gibt Wasser, allerdings keinen Strom. Die Häuser der Bewohner dieses Dörfchens sind auch mickrig. Sie erinnerten mich ein Stückweit an die Indianertippis, die ich früher im Kindergarten gebaut habe, wenn wir im Wald spazieren waren. Und auch das Krippchen, das die Bewohner von dort gebastelt hatten, war zwar ein bisschen kleiner als die Häuser, allerdings von seiner Machart erschreckend ähnlich.
Aber genau das zeigt den Sinn und den Wert von Weihnachten. Jesus Christus – unser König – wird nämlich genau in einer solchen Hütte geboren. Es mit diesen Menschen zu feiern, war eine super beeindruckende Erfahrung, die mich allerdings auch echt traurig gemacht und zum Nachdenken gebracht hat. Trotzdem waren die Kinder und alle super glücklich, sie bekamen alle kleine Geschenke und es gab auch ein leckeres Abendessen mit einem Saft, was dann alle in der Dunkelheit aßen.
Die Fröhlichkeit und Freude in den Gesichtern der Kinder war offensichtlich und auch der Dank der einem zurückgegeben wird, fühlt sich super an. Man darf trotzdem nicht vergessen, wie diese Menschen leben oder mit was für einem Gefühl sie bei den Stürmen, die es hier so oft gibt, einschlafen. Auch nicht vergessen dürfen wir, dass Jesus auch für sie auf die Welt kommt.

Während der Heimfahrt von dem Fest merkte ich wie es mir immer schlechter ging und ich wurde krank. Mit Fieber lag ich glücklicherweise nur zwei Tage flach und kehrte dann wieder zu meiner Arbeit zurück, probte mit den Opis und Omis im Altersheim und am Vierten Advent war es dann endlich soweit mit unserer Feier.
Abends gegen 6 Uhr kamen die ersten Gäste und es dauerte nichtmehr lang bis der Weihnachtsmann "Papa Noel" eintraf.
Was nun passierte war wirklich herzerwärmend. Josesito, mein kleiner Freund mit Down-Syndrom, wartete schon voller Freude mit vielen Kindern auf den Besuch. Er war auch der erste der ein Geschenk vom Weihnachtsmann bekam, nämlich einen Fußball. Ein strahlendes Gesicht war die Folge.
Danach kamen die anderen Abuelitos, die sich draußen versammelt hatten, um zu feiern. Jeder einzelne bekam sein Geschenk und es war wirklich toll, wie die Geschenke auf die Spezialitäten jedes einzelnen angepasst waren. So gab es Trikots oder Mützen eines Fußballvereins für die Fußballfans unter den Opis, Rosenkränze für die, die jeden Tag fromm beten, oder auch hübsche Armbänder für eine Bewohnerin, die immer mit Armbändern und Ringen beschmückt ist.

Die Krankesten des Altersheims, die nicht an der Feier teilnehmen konnten, waren im Haus, in ihren Betten oder sonstwo. Auch zu ihnen kam Papa Noel. Wie schön das war. Nicht alle haben verstanden, wer da vor ihnen stand, wollten ihre Geschenke teilweise gar nicht annehmen oder wollten sie sogar wieder zurückgeben, weil sie nicht wussten, was sie damit anstellen sollten, aber es gab auch die, die sie total froh entgegennahmen.
Besonders goldig waren die Geschenke für die, die sehr sehr krank sind und kaum oder gar nicht sprechen können. Sie sind mehr behindert und krank als alt. Für sie brachte der Weihnachtsmann Kuscheltiere und der Anblick dieser so stark beschränkten, hilflosen Menschen mit einem lächelnden Teddy in der Hand waren echt süß.

Nachdem sich Papa Noel dann unter Applaus verabschiedete, kam ein Krippenspiel, das Kinder aus der Kirchengemeinde einstudiert haben, und mit der Zeit füllte sich der Platz im Altersheim mehr und mehr mit Leuten, die zur anschließenden Messe kamen.
Nun kam der Moment für uns, um unsere zwei Lieder zu singen. Die Abuelitos präsentierten sich vor der Menge und wir begannen mit "Noche de Paz" ("Stille Nacht"). Ich war super, super stolz auf unseren kleinen Chor, der seine Sache wirklich super machte. Marcello, ein Mitarbeiter des Altersheim, der ein wenig die Moderation des Abends übernahm, streckte Don Ramon, einem Bewohner des Altersheims das Mikrofon vor den Mund, sodass vor allem seine Stimme kam. Es war zwar nicht immer alles ganz verständlich was da raus kam, aber er sang von ganzem Herzen.
Das spiegelte so ziemlich gut wieder, wie das im Altersheim ist. Die Menschen dort sind in einem Alter, in dem sie sehr eingeschränkt in ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten sind. Aber grade diese Unperfektheit macht sie so menschlich und sympathisch. Letztendlich brachte sie einige Zuschauer sogar zum Weinen. Die Tränen waren allerdings Tränen der Freude, weil die Freude der Heimbewohner auf die Menge strahlte wie die Sonne hier um 12 Uhr, wenn keine Wolken am Himmel sind.

Danach gab es die Messe und ein gemeinsames Abendessen mit dem Personal. Eine runde Sache. Allerdings fiel ich auch direkt danach halbtot ins Bett.
Am 24. nach der Arbeit machte ich mich dann zu meiner dritten Weihnachtsfeier hier ins Convento (Kloster) nach Posadas. Hier habe ich erstmal den Kontakt nach Hause gesucht, da meine Familie schon aus der Messe kam. Um 7 Uhr hatten auch wir hier unsere Messe im Kreise der Schwestern, außerdem waren einige Brüder oder Mütter zu Besuch um die "Noche Buena" (Heiligabend) hier zu feiern. Im Hellen und mit Ventilator feierten wir die Ankunft unseres Herrn, sangen die Lieder, deren Melodie ich aus Deutschland kenne, auf Spanisch und gaben dem "Niñito" Jesus am Ende alle noch ein Küsschen.
Danach versammelten wir uns alle im Essenssaal und aßen gemeinsam zu Abend; wir saßen kaum am Tisch schon fiel mal wieder der Strom aus. Das Licht kam aber schnell wieder zurück und wir saßen noch bis spät zusammen. Um 12 Uhr begrüßten die Argentinier Weihnachten mit einem Feuerwerk, was von hier allerdings nicht so gut zu sehen war.

Müde von der Feier ging ich schlafen, da am nächsten Morgen um halb 8 die Messe auf dem Plan stand. Dieses Mal nur mit den Schwestern und relativ entspannt. Danach gab es ein wunderbares Frühstück, sowie ein großes Weihnachtsessen; alles ähnlich wie zu Hause. Nachmittags kam noch Besuch von anderen Schwestern, die in der Nähe wohnen und auch ich bekam eine Kleinigkeit geschenkt.
Anders als ihr wahrscheinlich saßen wir draußen, tranken gemeinsam Mate und genossen einen angenehmen Sommertag.

Ich hoffe ich konnte euch einen schönen Einblick geben, wie der Advent und das Weihnachten hier für mich war. Ich war in den letzten Tagen natürlich auch viel in Gedanken bei meiner Heimat und meiner Familie. Es war ein komplett anderes Weihnachten, als ich es gewohnt war, und ich vergaß auch manchmal aufgrund der Wetterumstände und so weiter, dass wir im Moment wirklich Weihnachten feiern.
Und als ich mir überlegte, dass es nur noch acht Monate sind, bis ich wieder heimkehre und schon Drittel hinter mir liegt, da war die Freude auf das Wiedersehen mit der Familie schon sehr sehr groß, sogar größer als die Trauer, dass sie zurzeit nicht hier sind.
Außerdem bin ich den Schwestern hier sehr dankbar, dass sie mich so in ihre Gemeinschaft aufgenommen haben. Es ist zwar nicht wie die Familie, aber es ist trotzdem ein guter, liebenswerter Ersatz.

- Paul