MaZ: "Emotional die reinste Achterbahnfahrt"

Nach dem Abi ging es für Kathrin als Missionarin auf Zeit (MaZ) ins Hochland von Bolivien. Ein erstes Fazit: Die 19-Jähhrige merkt, dass sie nicht nur die Kultur in Bolivien immer besser kennenlernt, sondern auch sich selbst.

Wenn ich diesen Bericht abschicke, suche ich immer noch nach einem passenden Aufhänger, um meine Gedanken und Erfahrungen meines MaZ-Jahres zu teilen. Ich glaube jedoch, es braucht nicht immer ein Zitat, eine Liedzeile oder ein Bild, um perfekt fließend in mein Erlebtes überzuleiten. Denn was passiert schon so im Leben? Hier in Bolivien ist es jedenfalls nicht so, dass ich immer darauf vorbereitet bin, was jetzt als nächstes kommt und mich erwartet. Aber genau das macht es auch so spannend und bunt zugleich. Weihnachten und Neujahr sind schon vorbei und ich kann mich meinen lieben Vorfreiwilligen nur anschließen, wenn sie mir erzählten, dass sie während ihres Auslandsjahres oft gar nicht merkten, wie die Zeit verflogen ist. Die vielen Dinge, die ich hier in Bolivien bisher schon lernen und erfahren durfte, könnten zeitlich jedoch weit mehr als die bisherigen vier Monate füllen.

Hierbei kommt mir direkt das Spanischsprechen in den Sinn, dass ich außerhalb der paar Stunden Privatunterricht vor dem Abflug noch nie praktiziert hatte. Es war anfangs meine Sorge, hier vor Ort nicht mitzukommen oder deshalb bei der Arbeit frustriert zu sein. Zurückblickend konnte ich aber schneller sprechen, als ich dachte und kann alles kommunizieren, was mein Herz mir sagt. Dafür danke ich allen um mich herum, die mich verbessern und geduldig mit mir sind. Nicht zuletzt den wunderbaren Kindern im Comedor, meiner Arbeitsstelle, die mir viel und gerne von zuhause erzählen und mich ausfragen, wie es bei mir aussieht. Die nächste Challenge wäre es dann Quetchua zu lernen, die indigene Sprache, die hier in Chuquisaca außer dem Spanisch gesprochen wird. Die beiden Köchinnen des Comedors haben Lotte und mich jedenfalls noch nicht aufgegeben in den Sprachstunden während des morgendlichen Gemüseschnippelns. Seguimos en esperanza!

Meine Arbeit hier gestaltet sich sehr vielseitig. Nachmittags arbeite ich in der Hausaufgabenbetreuung des "Comedor Popular Infantil" zusammen mit den Erst- und Zweitklässlern. Vormittags gibt es jeden Tag ein anderes Programm. Dieses sieht bei jedem Freiwilligen, der hier bisher gearbeitet hat, sehr anders aus. Ich darf zum Beispiel am Dienstag zusätzlich Englisch-Unterricht in der Grundschule geben. Das macht mir riesig Spaß und ich bin dankbar, dass mir das anvertraut wird! Es gibt grundsätzlich unglaublich viel Arbeit und Lotte und ich verbringen viel Zeit im Comedor. Gleichzeitig sind wir jedoch sehr frei in der Gestaltung unseres Einsatzes und es gibt kein Problem, dass wir nicht kommunizieren und gemeinsam mit unserer Mentorin, Schwester Eufracia, lösen könnten. Wir können neue Ideen in die Arbeit mit den Kindern einbringen, wir können unsere Freizeit gestalten und reisen. Ich bin sehr dankbar über dieses angenehme Klima in Sopachuy und freue mich, dass die Tage im Comedor immer so bunt sind. Natürlich gibt es hier auch Tage, an denen einfach nichts zu funktionieren scheint und alles drunter und drüber geht, aber solange ich das als Herausforderung sehen kann und mir ins Gedächtnis rufe, ein bisschen stärker aus der Situation herauszugehen, ist das in Ordnung.

Ganz ähnlich ist es mit meiner Gefühlslage. Emotional ist es hier oft die reinste Achterbahnfahrt. Ich erfahre Schicksale der Kinder im Dorf, der Familien auf den Campos, die mir sehr nahe gehen, ich vermisse meine Familie, meinen Freund, liebe gleichzeitig das Abenteuer hier, darf diese wunderschöne andere Kultur feiern, verstehe die mir fremde Mentalität oft nicht und werde ungeduldig. All diese Situationen begegnen mir auf meinem Weg in Bolivien. Was ich aus diesem teilweisen Gefühlschaos vor allem lernen darf, ist zu akzeptieren. Zu akzeptieren, dass ich nicht auf der Welt bin, um perfekt zu sein, keiner von uns, dass ich egal mit welchem Problem nie alleine da stehe und dass es einen auf Dauer nur stärker machen kann, Schwächen zu zeigen.

Ich bin so dankbar für die Zeit, in der ich reflektieren kann. Zum Nachdenken helfen mir vor allem lange Wanderungen, die Lotte und ich gerne in die satte grüne Berglandschaft unternehmen, die Sopachuy umgibt, beim Laufen oder in den Gottesdiensten. In Deutschland bin ich gerne mit meiner Familie in die Kirche gegangen, weil es mir immer ein Gefühl von Zuhause gegeben hat mit ihnen zusammen dort zu sein. Zugegebenermaßen nicht der Messen wegen. In Sopachuy ist es anders, als ich es kannte, es wird viel gesungen, getanzt und jeder, der sein Instrument mitbringt, kann gerne mitspielen. Es ist einfach das Gefühl von Gemeinschaft und Freude, was hier gefeiert wird, das gefällt mir sehr!

Neben den vielen Orten, die ich schon sehen durfte, sind es jedoch vor allem die Begegnungen mit Menschen, die mein Jahr hier so schön machen. Da ist es egal, ob ich an meine Gastfamilie in Sucre denke, die Angestellten des Comedors, unsere Jugendgruppe oder die Tinku Tanzgruppe, mir sind bisher so viele liebenswerte und hilfsbereite Leute begegnet. Ich weiß diese festen Kontakte zu schätzen, weil sie mir helfen, mich nicht einsam zu fühlen weit weg von zu Hause und ich zu ihnen kommen kann, wenn mir etwas fehlt. Genauso freue ich mich aber über die Bekanntschaften, die ich unterwegs in Hostels oder schon in den nächsten Kommunitäten der Schwestern einfach nur im kurzen Gespräch treffe.

Ich beschreibe mein Jahr hier in Bolivien als bunt und pur. Pur deshalb, weil man nach den vielen Eindrücken doch immer wieder bei sich selbst ankommt. Ich beschäftige mich viel mit meinen Idealen und meiner Einstellung. Es wird immer etwas zu lernen geben für uns! Und wir können jeden Tag etwas tun für die Menschlichkeit, so klein es auch sein mag! Ich hoffe, dass sich noch ganz viele von euch jungen Abenteuerlustigen, die daran glauben, dass diese Welt ein wunderschöner Ort ist, um zu sein, aber noch irgendwie besser sein kann, dazu entscheiden, ein Jahr mit diesem Programm zu verbringen! Außerdem hoffe ich, dass ich allen Interessierten einen Eindruck meines bisherigen MaZ-Jahres vermitteln konnte!

Vielen Dank fürs Lesen und bis bald!

Kathrin