MaZ: Mitfeiern - mit Blasenpflaster

Zwei Wochen später als geplant ging es für mich von Cochabamba zu meiner Einsatzstelle in Tapacarí. Entgegen aller Erwartungen war die "Reise" dorthin aber kein Abenteuer. Sie war lang nicht so gefährlich wie gedacht, dauerte nur zweieinhalb Stunden und das einzig Aufregende war, als einmal ein Huhn über die, zugegeben unasphaltierte und unbefestigte, Straße lief.

Die Menschen im Bus waren allerdings wieder sehr freundlich und die Landschaft, durch die Berge entlang des ausgetrockneten Flussbettes, war einfach nur atemberaubend. Als ich also nach besagten zweieinhalb Stunden in Tapacarí ankam, war ich zugegebenermaßen ein wenig aufgeregt. Tapacarí ist ein kleines Dorf mit nur ca. 150 Einwohnern, welches genau an der Schneide zweier Flüsse (die im Moment noch ausgetrocknet sind) auf einem Berganstieg liegt. Nichtsdestotrotz hat es eine Kirche, eine Schule, ein Rathaus, ein kleines Krankenhaus und das Internat. Wir stiegen am kleinen Hauptplatz, an dem das Rathaus und daneben die Kirche liegen, aus dem Trufi, nahmen unser Gepäck und gingen eine kleine Straße zum Haus der Schwestern hinunter.

Dort angekommen wurde ich sofort von Schwester Yasinta begrüßt, eine kleine Ordensschwester aus Indonesien, die mich auch am Flughafen abgeholt hatte. Und sie zeigte mir erstmal das Gelände des Internats. Das Internat und die Schule sind separat. Die Schule liegt weiter oben in Tapacarí und hat nicht direkt mit dem Internat zu tun, das heißt ich unterrichte die Kinder nicht als Lehrer und bin auch nicht in ihrem Unterricht dabei.
Das Internat besteht aus drei Gebäuden, die auf zwei Straßenseiten einer durch das Dorf führenden Straße liegen. Auf der einen Seite ist das Hauptgebäude, in dem der große Essenssaals, die Küche, die Zimmer der Kleinsten (sechs bis acht Jahre) und im zweiten Stock ein zweiter großer Saal und die Zimmer der Mädchen sind. Auf der anderen Seite ist das Gebäude der Jungen, in dem vier Schlafsäle sind. In einem befindet sich separiert mein kleines Zimmer. Im Erdgeschoss gibt es eine Bibliothek und das Büro. Im dritten Gebäude sind die Kursräume, für fünf nach Alter gestaffelte Kurse. Als letztes gibt es noch einen kleinen Sportplatz mit zwei Toren und zwei Basketballkörben.

Mein Tagesablauf und meine Arbeit sehen wie folgt aus:
Morgens um 6 Uhr heißt es aufstehen. Dann werden die Jungs beim Putzen ihrer Zimmer und der Waschräume beaufsichtig und danach, bis viertel vor sieben, ein bisschen Fußball oder anderes mit ihnen gespielt.
Die Kinder sind alle sehr selbstständig, jeder weiß, wann er mit Zimmer- oder Badputz dran ist, und tut dies ohne aufgefordert zu werden. Um viertel vor sieben ist dann das Morgengebet im Haupthaus, unten für die Kleinen (sechs bis zwölf), oben für die Großen (13 bis 18). Ich nehme abwechselnd bei den Großen und Kleinen teil. Die Lieder werden alle auf Quechua gesungen, was ich leider noch nicht verstehe.
Nach dem Morgengebet gibt es dann Frühstück und gegen zwanzig vor acht, nachdem der Essenssaal aufgeräumt und gewischt ist und alles gespült, werden die Kinder zur Schule geschickt. Jetzt habe ich bis ca. 12 bis 13 Uhr frei. In der Zeit wasche ich meine Klamotten, schaue mir Tapacarí an, mache was mit den anderen "Lehrern" (Es gibt hier fünf Lehrer, ein Mann, vier Frauen und eine Freiwillige aus Bolivien, die die Kinder betreuen, wenn sie aus der Schule wiederkommen; ich gehöre jetzt auch dazu), treibe Sport oder genieße anderweitig meine Freizeit.

Gegen halb eins kommen die ersten Kinder wieder und gegen eins gibt es dann Mittagessen. Wir Lehrer essen entweder davor oder danach in einem eigenen kleinen Raum, damit wir beim Essen bei den Kindern sind. Danach wird wieder gespült, aufgeräumt und gewischt. Bis drei Uhr haben die Kinder und Jugendlichen jetzt Zeit ihre Schuluniformen gegen normale Kleidung zu wechseln, sich ein wenig frisch zu machen und zu spielen. Denn um drei Uhr geht es in die Kurse. Dort werden Hausaufgaben gemacht und für die Schule gelernt. In meiner ersten Woche war ich im Kurs der Ältesten. Mit denen habe ich vor allem Englisch geübt und die hatten sehr viele Fragen.
Von halb fünf bis fünf ist dann Pause, in der es einen kleinen Snack gibt und Zeit zum Spielen ist, danach geht es bis um halb sieben wieder in die Kurse. Ab halb sieben bis sieben ist wieder freie Zeit für die Kinder, in der ich Fußball oder Basketball mit ihnen spiele, ihre tausend Fragen beantworte oder mit jedem einzelnen Kind und Jugendlichen einen individuellen Begrüßungshandschlag übe.

Um sieben gibt es Abendbrot und um acht Abendgebet. Danach geht es ins Bett. Bevor die Jungs allerdings ins Haus gelassen werden, werden sie von mir und dem anderen Lehrer, Alex, durchsucht nach Spielsachen oder Essen, welches nicht mitgenommen werden darf, um die Kinder nicht vom Schlafen abzuhalten. Gegen halb zehn ist es dann meistens schon still, aber eine allgemeine Bettruhe gibt es nicht.

Als ich also dann am ersten Tag das Gelände gezeigt bekommen hatte, habe ich mich erstmal ein bisschen mit den anderen Lehrern unterhalten. Als dann die Kinder zurückkamen, war erstmal viel Staunen und Fragen angesagt (sowohl von meiner als auch von der anderen Seite). Dann ging es in die Kurse und danach wurde tanzen geübt. In zwei Gruppen (Ältere und Jüngere) stellten sie sich auf und übten einen bolivianischen Tanz, den Tinkus.
Am Anfang schaute ich nur zu, aber dann durfte ich mittanzen. Es gibt sechs kurze Choreographien. Welche getanzt wird, zeigt der Vortänzer an. Diese Choreo wird dann eine Zeitlang immer wiederholt, bis eine neue angezeigt wird.
Auf Nachfrage wurde mir erklärt, dass am Wochenende ein großes Fest in Tapacarí sei für die Mutter Gottes, zu dem Leute aus der ganzen Umgebung kommen würden und bei dem unter anderem wir als Tanzgruppe tanzen würden. Da war ich direkt sehr erstaunt, dass ich mittanzen durfte.
Wir übten also jeden Tag und am Samstag war es dann soweit. Zwei Lehrer hatten in der Stadt Kostüme besorgt, für die Kleinen und für die Großen, für die Jungen und für die Mädchen, für die Lehrer (die einzeln tanzten) und für mich, weil ich so groß war. An diesem Tag kam auch eine Gruppe Deutscher an von der Partnerschule des St.- Xaver-Gymnasiums aus Bad Driburg. Sie waren schon ein wenig überrascht einen anderen Deutschen vorzufinden, der direkt bei solch einem bolivianischen Fest mittanzt.

Dann ging es los. Zwei Stunden lang tanzten wir durch das Dorf und ich durfte ständig Pause machen, um Fotos mit mir schießen zu lassen. Ich wurde auch die ganze Zeit vom Rand angefeuert, denn so etwas sehen viele Leute hier nicht oft: einen großen blonden Jungen, der ihre Tänze tanzen kann (mehr oder weniger gut). Nach dem Tanzen schmerzten meine Füße sehr und ich hatte an jedem Fuß eine große Blase, denn das Tanzen in etwas zu kleinen Sandalen ist nicht immer angenehm. Allerdings hat es total viel Spaß gemacht und ich durfte mir das ein oder andere Kompliment anhören.
Nach dem Gottesdienst ging dann das andere Feiern los. Auf dem ganzen Platz vor Rathaus und Kirche wurde Musik gespielt, getanzt und Essen und Trinken verteilt. Gegen Zehn sammelten wir Lehrer dann die Kinder ein und brachten sie zum Internat ins Bett, gingen anschießend aber wieder auf das Fest.
Am nächsten Morgen war unschlüssig, ob ich mit meinen Blasen mittanzen würde oder nicht (am Sonntag war der zweite Teil des Festes, an dem nochmal in den Gruppen durch das Dorf getanzt wurde), aber mit Blasenpflastern und diesmal in meinen richtigen Schuhen ging es dann doch. Nach diesmal nur einer guten Stunde war ich allerdings erschöpft und froh zum Internat zu können. Allerdings war das Fest sehr schön und es hat mich riesig gefreut, dass ich in bolivianischen Kostümen bolivianische Tänze mittanzen durfte.