MaZ: ¡Bienvenidas a Sopachuy!

"Willkommen in Sopachuy!" Hier verbringe ich seit dem 5. September jeden Tag bis zum Ende meines Einsatzes. Meine Arbeit wird nur von den Wochenenden in Sucre – denn einmal im Monat muss ich Geld abheben und meine Post holen – und den 30 Tagen Urlaub unterbrochen werden, die mir zustehen.

 Sopachuy hat ein eigenes kleines Krankenhaus namens "Virgen de Remedios", es gibt auch einen Arzt namens Don Julian, der Deutsch spricht. Außerdem gibt es die Kirche, den Comedor und den Konvent der Schwestern. Was Bildung und Bildungseinrichtungen angeht, ist Sopachuy sehr gut ausgestattet. Es gibt eine Grundschule für alle Kinder bis zwölf Jahre, das Colegio, das die Jugendlichen bis 19 Jahren mit dem Abitur abschließen können, außerdem noch mehrere Internate. Nach der Schule können die Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Ausbildung in den Kolping-Werkstätten machen, deren Begabung in diesem Bereich liegt. Auch für diese wurde ein Internat errichtet.

Der "Comedor Popular Infantil Niño Jesus": Der Comedor (deutsch: Speisesaal) beherbergt momentan insgesamt 83 Kinder, von denen 48 dort schlafen (die "Internos") und 35 jeden Abend nach Hause gehen (die "Externos"). Er wurde von der Trierer Josefsschwester Consolata gegründet, da nach der Gründung der Grundschule immer wieder ohnmächtige und völlig unterernährte Kinder ins Krankenhaus kamen.
Der Comedor bietet Kindern zwischen 6 und 12 Jahren einen geregelten Tagesablauf mit vier Mahlzeiten, Beachtung von notwenigen Hygienemaßnahmen, Hausaufgabenbetreuung und Vermittlung religiöser Werte durch einen guten Umgang untereinander. Die Kinder haben einen Wochenplan, der festlegt, welche Kinder nach jedem Essen spülen, die Toiletten säubern, den Speisesaal fegen oder die Tische putzen. So lernen die Kinder schon ab der dritten Klasse Verantwortung zu übernehmen.

Morgens um 7 Uhr frühstücken alle gemeinsam und schälen anschließend die Kartoffeln für das Mittagessen, bevor um 8 Uhr die Schule beginnt. Diese ist völlig unabhängig vom Comedor. Um eins essen wir zu Mittag. Die Mahlzeiten bestehen immer aus Kartoffeln und entweder Nudeln oder Reis, aber Kartoffeln dürfen niemals fehlen. Uns fehlt ein bisschen die Soße zu allem, aber oft gibt es Suppe, daher ist es kein Problem. Außerdem können wir das ja sonntags nachholen, wenn wir selbst kochen.
Anschließend helfen Lara und ich den Kindern bei den Hausaufgaben, und üben mit ihnen das Einmaleins und Lesen. Lara kümmert sich um die Zweit- und Drittklässler und ich mich um die vierte, fünfte und sechste Klasse. Die erste Klasse wird von der Lehrerin Gaby betreut.
Um 4 gibt es dann nochmal das Mittagessen, Brötchen, Popcorn oder – mittwochs – Joghurt. Wer mit den Hausaufgaben fertig ist, darf spielen gehen, entweder in der eigenen "Cancha" (Bolzplatz), im "Parque" (Park) oder im "Sala de Juegos" (Spielesaal), dienstags dürfen sie einen Film gucken.
Um 18 Uhr essen alle zu Abend. Nach dem Abendessen ist manchmal Messe, aber das ist nicht auf bestimmte Tage festgelegt.

An manchen Tagen kommt Jhonny, der in der Messe immer Keyboard spielt, und übt mit den Kindern Kirchenlieder. Es ist meist schwierig, noch eine Melodie zu erkennen, wenn die Kinder erst einmal anfangen zu singen bzw. schreien. Das Gleiche ist abends in der Kirche, und es ist immer lustig mitanzusehen, wie die Kinder versuchen so laut wie möglich zu singen, während man die älteren Kinder und Jugendlichen gegenüber kaum hört, da ihnen das Singen eher peinlich ist. Ich spiele samstags und sonntags immer in der Messe Querflöte und begleite so Jhonny mit seinem Klavier und Schwester Eufracia, die Gitarre spielt und singt.

Während die Kinder zwischen 8 und 13 Uhr in der Schule sind, haben Lara und ich entweder bestimmte Aufgaben oder "Freizeit". Montags backen wir Brot, dienstags singen bzw. spielen wir Kirchenlieder und freitags üben wir mit Schwester Eufracia Deutsch und Castellano (wie Spanisch hier bezeichnet wird). Mittwoch- und donnerstagmorgens haben wir theoretisch frei, füllen diese Zeit aber mit Putzen und Vorbereitungen der Freizeitgestaltung für die Kinder.

Im Comedor arbeiten neben den drei Schwestern Mery, Jhenneth und Eufracia auch andere Frauen, zum Beispiel Doña Fani und Doña Feli. Mit Fani backen wir montags immer das Brot für die ganze Woche. Sie hat fünf Kinder – von denen zwei im Comedor sind – und ist eine sehr liebe und lustige Frau, die gerne lacht. Feli arbeitet meist in der Küche und kocht. Sie kann nur Bruchstücke Spanisch und spricht vor allem Quechua. Beide haben aber nicht nur diese bestimmten Aufgaben, sondern kümmern sich auch um alles andere im Comedor, wie z.B. putzen und so weiter.

Am 15. jeden Monats ist eine Mitarbeiterbesprechung, bei denen jeder Fragen, Sorgen und Probleme äußern kann, die seine Arbeit im Comedor und die Kinder betreffen. Drei Tage später, am 18., kommen alle Eltern der Kinder und Schwester Eufracia bespricht mit ihnen den kommenden Monat, anstehende Veranstaltungen und andere wichtige Dinge.
Die Eltern sollten pro Kind und Woche entweder 30 oder 50 Bolivianos bezahlen, um die Schwestern bei den Kosten zu unterstützen, die es braucht, um den Comedor am Leben zu erhalten und den Kindern täglich vier Mahlzeiten zu bieten. Die Höhe des Betrags hängt davon ab, ob die Kinder abends nach Hause gehen oder dort schlafen, bleibt umgerechnet aber nur bei vier oder sieben Euro pro Woche.

Sonntags sind wir bei den Schwestern morgens zum Morgengebet und Frühstück eingeladen und gehen anschließend gemeinsam zu Heiligen Messe. Das Mittagessen kochen wir selbst, meistens Nudeln oder Reis mit einer improvisierten Soße. Mit den Schwestern haben wir sonntags auch schon gekocht, einmal Spaghetti Bolognese und auch ein typisch bolivianisches Gericht aus Reis, Pommes, Lamafleisch, Spiegelei und natürlich der scharfen Soße, die einfach überall dazu gehört (aber wirklich ziemlich scharf ist).

Während unserer Zeit hier gab es jetzt auch schon des Öfteren Strom- oder Wasserausfälle. Nach dem ersten Schrecken merkten wir doch allmählich – vor allem beim Stromausfall –, dass es gar nicht so tragisch ist, mal einen Tag oder länger keine Elektrizität zu haben. Wir kochen mit Gas und brauchen keine Heizung. Nur warm zu duschen ist dann leider nicht möglich. Und unsere elektrischen Geräte können wir in dieser Zeit nicht aufladen. Aber das ist hier ebenfalls nicht weiter tragisch. Schlimmer ist es jedoch, wenn wir kein Wasser haben. Zum Glück haben wir aber vorgesorgt, mit Trink- und Spülwasservorräten und natürlich auch mit ganz vielen Kerzen für die Stromausfälle.

Das Wetter ist die meiste Zeit über sehr schön, zwischen 25°C und 35°C mit strahlend blauem Himmel. Aber es gibt auch oft Regen oder Gewitter und das ist eindeutig nicht zu unterschätzen. Und wenn es wieder so weit ist, kann man es nicht einmal annähernd mit Deutschland vergleichen. Die Gewitter sind hier in Sopachuy viel stärker als bei uns und es schüttet wirklich wie aus Kübeln, sodass die Straße total aufweicht und eher einem Fluss gleicht als einer Straße.
Leider hat Mitte Oktober auch die Regenzeit angefangen, die uns öfter mal ein paar ungemütliche Tage beschert, an denen man am besten nur mit Flipflops oder barfuß und mit hochgekrempelter Hose rausgeht. Anderenfalls wären die Schuhe direkt durchnässt.
Doch wenn das Wetter wieder einmal schön ist, heißt es für die Kinder und uns: Auf zum Fluss! Unser erstes Mal am Fluss war wirklich ein Erlebnis. Das Wasser war erstaunlich warm und die Kinder tobten ausgelassen herum. Ich war froh, dass man an fast allen Stellen des Flussbetts gut stehen kann, denn wenn fünf oder mehr Kinder an mir hängen, kann ich mich auch so nur noch mit Mühe über Wasser halten. Und wenn wir Zeit – oder grade mal wieder kein Wasser – haben, gehen Lara und ich auch gerne mal alleine in den Fluss.

Am zweiten Oktoberwochenende hieß es dann: Auf nach Sucre! Seit Tagen hatten Lara und ich schon darauf hingefiebert, denn unser Geld ging rapide zur Neige und so konnten wir auch endlich mal mit unserer Familie und den engsten Freunden skypen. Also standen wir am neunten Oktober um halb drei morgens auf und machten uns für die fünfstündige Busfahrt fertig, die um vier Uhr losgehen sollte. Am Bus trafen wir auf andere Freiwillige aus Deutschland, die in der Schule, im Kindergarten, im Krankenhaus und im Colegio arbeiten und mit dem Roten Kreuz hier sind.
Sie hatten gerade noch so Bustickets bekommen, da auch alle Lehrer freitags nach Sucre fahren. Die Schule endet jede zweite Woche im Monat extra schon donnerstags, um das zu ermöglichen. Im Bus war es ganz schön eng, denn nicht nur die Sitzplätze waren besetzt, sondern auch der Gang. Wer keine Fahrkarte mehr bekommen hatte, setzt sich eben einfach auf einem Eimer in den Gang.
Nachdem wir ungefähr die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht hatten, gab es plötzlich einen lauten Knall. Neben unserem Fenster stieg Rauch auf und als wir hinaussahen, sahen wir auch, dass eine Flüssigkeit aus dem Bus auslief. Keiner sagte etwas, aber nach und nach stiegen alle aus. Einige liefen zum nächsten Dorf, andere sahen sich die Landschaft an, und so blieb auch uns nichts anderes übrig als zu warten. Glücklicherweise ging es jedoch schon eine Stunde später weiter, nachdem ein Rohr provisorisch mit Klebeband umwickelt und wieder eingesetzt wurde. So konnten wir schon bald im Hostel einchecken und unseren ersten Großeinkauf starten.

Zurück in Sopachuy wartete eine gar nicht mal so angenehme Überraschung auf uns. Eines Morgens waren Lara und ich mal wieder im Comedor. Da wir uns Brot mitnehmen wollten, sind wir in die Panadería (Backstube) gegangen. Aber statt Brot lag da etwas ganz anderes auf dem Tisch: eine tote Kuh. Noch am gleichen Tag hab ich mich als Metzgerin versucht und sie zusammen mit Doña Fani auseinandergenommen. Lara hat nicht mitgeholfen, da ihr schon bei dem Anblick schlecht geworden ist – ich denke, die Welt hat nun eine neue Vegetarierin.

Zuletzt würde ich euch gerne von den Festen erzählen, die Lara und ich bereits miterleben durften: eine Taufe, die Kommunion, das Jubiläum der Schule, das Gründungsfest Sopachuys und Allerheiligen.
In der Woche vom 21. bis zum 25. September feierte die Schule ihr 100-jähriges Jubiläum. Dazu wurden Girlanden gebastelt, die auf der Cancha der Escuela (Sportplatz der Grundschule), eine Art Stadion, und in der Grundschule aufgehängt wurden. Lara und ich haben auch eine mit schwarzen Fahnen gebastelt, da die Farben der Schule schwarz-rot-gold sind, wie die der deutschen Flagge. Das kommt daher, weil auch die Schule von dem deutschen Pfarrer Hans Vössing gegründet wurde. Die einzelnen Klassen führten Tänze vor, was besonders bei den Kleineren wirklich süß mit anzusehen war.

Seit Sonntag, dem 25. Oktober sind Lara und ich Patentanten. Zwei Kinder aus dem Comedor – die Kinder von Doña Fani – wurden getauft, da der ältere (Paúl) im November zur Kommunion gehen soll, den Schwestern jedoch nicht bekannt war, dass er noch gar nicht getauft wurde. Der elfjährige Paúl ist jetzt mein Patenkind und die siebenjährige Ana Barbara das von Lara.
Zwei Wochen später, am 8. November, durfte ich auch bei der Ersten Heiligen Kommunion von 43 Kindern dabei sein und die Messe mit der Querflöte unterstützen. Von diesen 43 waren 27 der Kinder meine Schüler aus dem Comedor, die entweder die vierte, fünfte oder sechste Klasse besuchen. Nach der Heiligen Messe sind wir mit diesen 27 Kindern und den Schwestern in den Comedor gegangen, um dort zu essen. Lara und ich hatten für diesen Tag extra Girlanden gebastelt und diese sowie Luftballons dort aufgehängt. Außerdem haben wir uns um das Mittagessen gekümmert: Es gab Spaghetti Bolognese. Dies war wahrscheinlich die erste Mahlzeit ohne Kartoffeln im Leben der Kinder.

Spektakulär war auch die Woche vom 26. Oktober bis zum 1. November, in der der Geburtstag Sopachuys, "Helloween" und Allerheiligen gefeiert wurde. Zur Feier der 444 Jahre Sopachuys wurden in der Cancha der Escuela viele Wettbewerbe veranstaltet, die von den Lehrern aller möglichen Schulen aus Sopachuy und dessen umliegenden Dörfern bestritten wurden. Dabei handelte es sich um Fußball-, Volley-, Basketballspiele und traditionelle Tänze, die echt toll mitanzusehen waren, besonders wegen der Kostüme.
Außerdem hat das Colegio eine Ausstellung auf der Plaza organisiert, mit vielen Ständen und Buden, die die Kunstwerke der Schüler zeigten, natürlich auch wieder von Tänzen begleitet. Des Weiteren gab es eine Parade durch das Dorf, an der gefühlt das ganze Dorf teilgenommen hat, und für die sich jeder mit Hemd, Kleid oder Bluse herausgeputzt hat.
Ein paar hohe Tiere hielten Reden, die Lara und ich leider vor allem akustisch nicht verstanden haben, und anschließend marschierten alle in die Dorfmitte, vorweg die Fahnen von Sopachuy, Bolivien und erstaunlicherweise auch die deutsche Flagge.

Am 31. Oktober ("Helloween") gab es eine Prozession der Kinder durch Sopachuy, die mich sehr an unseren Zug zu Sankt Martin erinnerte. Vorneweg marschierte ein Trommlerkorps und alle Kinder trugen Laternen, die sie aus leeren Flaschen gebastelt und in den Farben Sopachuys (blau-weiß) geschmückt hatten.
Der nächste Tag – Allerheiligen – ist ein besonders wichtiger Tag gewesen. Die Heilige Messe wurde abends auf dem Friedhof gefeiert, auf dem sich das ganze Dorf versammelt hatte. Am Eingang gab es Buden, die Burger oder ähnliches verkauften, und alle Gräber waren festlich geschmückt. Die Messe selbst zog sich leider ziemlich, denn es wurden scheinbar alle Leute vorgelesen, die jemals in Sopachuy gestorben sind, jedenfalls gab es eine ungefähr 120 Seiten lange Liste mit Namen der Verstorbenen.
Nichtsdestotrotz war es schön die Messe einmal abends unter freiem Himmel zu feiern, mit vielen Kerzen und natürlich wie immer mit Live-Musik. Einen Tag später wurde Allerheiligen weiter in den Häusern der Menschen gefeiert, die jemanden aus der Familie verloren hatten. Dort durfte jeder einkehren, es wurde dreimal das "Vaterunser", dreimal das "Gegrüßet seist du, Maria" und dreimal das "Ehre sei dem Vater" gebetet. Anschließend bekommen die Gäste etwas zu essen und eine Tüte voll süßem Gebäck, bevor sie in das nächste Haus gehen.

- Luisa