MaZ: Tanzen ist das A und O

Seit Ende November sind nun schon Schulferien und in dieser Zeit ist auch der Comedor geschlossen. Luisa und ich sind also so zu sagen momentan "arbeitslos".

Eigentlich sollte man denken, das wäre etwas Gutes, mal etwas Entspannung kann ja nicht schaden. Aber ich vermisse meine Kinder wirklich sehr und muss noch bis Anfang Februar warten, um endlich wieder mit ihnen zu lernen, zu spielen und zu lachen. Abgesehen davon war der Dezember auch etwas schwierig, da ich Geburtstag hatte und Weihnachten fern ab ohne meine Familie verbringen musste. Und da mir die Kinder in dieser Zeit auch keinen Trost spenden konnten, weil sie ganz einfach nicht da waren, bin ich wirklich froh, dass ich Luisa, meine Mit-MaZlerin habe.

Mitte November sind die älteren Kinder bzw. Jugendlichen des Dorfes gefirmt worden. Genauso wie zur Kommunion war die Kirche wunderschön und feierlich geschmückt; dieses Mal allerdings in den Farben Rot (statt Gelb) und Weiß. Außerdem ist eigens der Erzbischof von Sucre angereist, welcher schon seit vielen Jahren in Bolivien lebt, aber ursprünglich aus Deutschland stammt.
Nach der Messe hatten Luisa und ich sogar noch Gelegenheit, uns mit dem Erzbischof Adolfo zu unterhalten. Und es ist erstaunlich, was er schon alles erlebt hat und wie offen und direkt er mit uns gesprochen hat. Da ist es kein Wunder, dass wir in unserem kurzen Gespräch so viel zu lachen hatten.
Außerdem hat er uns von seinen anfänglichen Problemen mit der Sprache Quechua erzählt und mich hat es beruhigt, dass auch andere Menschen anfangs Probleme mit einer ganz neuen und fremden Sprache haben.

Gegen Ende der Schulzeit, gab es noch einige besondere Veranstaltungen der Escuela (Grundschule). Jede Klasse hat zum Beispiel mit ihrem Klassenlehrer einen Überblick über das vergangene Schuljahr erstellt, die Kinder haben kleine Vorträge darüber gehalten, was die gelernt und gebastelt haben.
Und nicht nur das. Sie haben auch kleine Spiele oder ein Quiz entwickelt, in dem man beweisen konnte, wie gut man denn zugehört hat. Als Belohnung gab es etwas Süßes oder auch mal eine Zahnbürste. Es hat mir wirklich sehr große Freude bereitet den halben Tag von Klassenraum zu Klassenraum zu ziehen, auch wenn ich das ein oder andere doppelt gehört habe, war es doch wunderschön zu sehen, mit welcher Begeisterung die Kinder mir etwas beibringen wollten und natürlich habe ich dabei das ein oder andere Interessante gelernt. Aber vor allem durfte ich so viele Kinderlächeln empfangen, wenn ich mir geduldig jeden Vortrag angehört habe.

Und dabei habe ich auch viel über mein Dorf und die bolivianische Kultur lernen dürfen. Außerdem haben die Kinder wieder einmal Tänze einstudiert und ich habe mit Vergnügen dabei geholfen das ein oder andere Kostüm fertig zu stellen. Neben den traditionellen Tänzen haben sie aber auch einige Sportübungen vorgeführt.
Des Weiteren haben die Kinder ein Krippenspiel aufgeführt. Dabei gab es einen "Sprecher", der die Geschichte vorgelesen hat und die Kinder haben dazu ihre Rollen gespielt. Und nicht nur Kinder der Escuela haben dabei mitgewirkt, nein, es gab auch zwei echte Esel und ein wirkliches Baby, welches in der Krippe lag.

Aber mit dem Tanzen ist es natürlich noch nicht vorbei. Im November wurde eine Woche die "Fiesta de la Virgen de Remedios" (Feier für Maria, die Jungfrau der Arzneien) gefeiert. Sie ist die Schutzpatronin von Sopachuy und zu ihren Ehren wurde eine Entrada (Parade) gemacht.
Dabei sind verschiedene Gruppen, welche verschiedene Tänze aufgeführt haben, durch die Straßen bis hin zur Hauptplaza (Hauptplatz) getanzt. Dazu sind sogar einige professionelle Gruppen aus der Umgebung angereist. Auch Luisa und ich haben daran teilgenommen.

Außerdem gab es fast jeden Tag der Woche Stierkämpfe und ein Autorennen. Dieses ging durch einen Teil des Dorfes und seine Umgebung. Einen Teil meines Urlaubs habe ich dafür genutzt, um auch die Entrada in Alcala, einem Nachbardorf von Sopachuy, sehen zu können. Als ich ankam, wurde schon fleißig getanzt und die Gruppen kamen langsam alle an der Hauptplaza an, wo sogar eine Bühne aufgestellt war. Ihr Tanz endete, so wie in Sopachuy auch, vor der Virgen. Die Schutzpatronin von Alcala ist es allerdings die "Virgen de Concepción" (Maria Immaculata). Außerdem gab es statt Stierkämpfen Hahnenkämpfe und statt eines Autorennens ein Pferderennen.

Da die Schulzeit sich nun langsam zu Ende geneigt hat, haben Luisa und ich noch eine "Bastelstunde" mit unseren Kindern eingelegt. Luisa hat dabei mit den Viert- bis Sechstklässlern Fensterbilder und ich mit meinen Erst- bis Drittklässlern Windlichter gebastelt. Ich hatte etwas Angst, dass ich es den Kindern vielleicht nicht richtig erklären kann, oder sie einfach keine Lust haben, mit mir Windlichter zu basteln. Aber am Ende hatte ich das Gefühl, dass es doch allen riesigen Spaß gemacht hat. Die Kinder haben sofort verstanden, wie es funktioniert und es sind wunderschöne Exemplare dabei heraus gekommen. Ich bin wirklich stolz auf meine kleinen Bastelmäuse.

Sonntags nach der Messe haben wir uns mit den Schwestern, den Mitarbeiterinnen und den Kinder im Comedor getroffen, um gemeinsam Geburtstag bzw. Weihnachten zu feiern. Dazu haben wir alle gemeinsam gegessen und uns danach auf unserer kleinen Cancha versammelt. Die Schwestern haben mit den Kindern ein paar Spielchen gemacht und die Kinder haben (wie sollte es auch anders sein?) getanzt. Das letzte Spiel war dann eines, bei dem alle diejenigen vortreten mussten, die im genannten Monat Geburtstag haben. Und danach haben sie von Schwester Eufracia ihre Geschenke überreicht bekommen.
Jedes Kind hat ein Paar neue Flipflops bekommen. Diese Art von Schuhen tragen hier sehr viele Menschen und zwar täglich, nicht so wie in Deutschland. Und auch ich habe festgestellt, wie bequem und praktisch sie doch sein können, denn mit geschlossenen Schuhen schwitzen die Füße auch schon mal.
Was dabei jedoch sehr schade war, ist, dass viele Kinder noch nicht einmal den Monat wussten, in dem sie geboren worden sind. Für mich persönlich sind Geburtstage etwas ganz Besonderes und es hat mich wirklich traurig gemacht zu sehen, dass die Geburtstage hier nicht wichtig sind. Viele Kinder haben nur diese Geburtstagsfeier im Comedor und keine bei sich zu Hause. Für die Menschen hier ist es eben eher nebensächlich, solch einen Tag zu feiern.

Dieses beklommene Gefühl wurde jedoch, als die Piñata kam, von einer übergroßen Freude ersetzt. Wir haben zwei Stühle in die Mitte der Cancha gestellt und die Piñata auf ein Seil aufgefädelt. Luisa und ich hatten dann die ehrenvolle Aufgabe die Piñata hoch zu halten, damit die Kinder darauf einschlagen können. Dafür mussten alle Kinder einen großen Kreis um uns bilden und zuerst wurden einem der Erstklässler die Augen verbunden.
Danach wurde er ein paar Mal im Kreis gedreht und bekam einen langen Holzstab in die Hand. Die Kinder die im Kreis standen durften ihm Anweisungen zurufen, damit er die Piñata leichter finden kann. Doch die Zurufe haben ihm leider nicht weiter geholfen, weil es nur ein Durcheinandergeschrei war.
Aus jeder Stufe durfte jemand sein Glück versuchen und hat dann tatsächlich eines der Kinder die Piñata getroffen, hat die Schwester ihm sofort den Stab abgenommen und jemand Neues an die Reihe genommen. Das ging eine ganze Weile so und dabei wurde ich öfter getroffen als die Piñata.
Es hat wirklich großen Spaß gemacht den Kindern bei dieser Aktion zuzusehen. Sie hatten so große Freude daran, selbst wenn sie nicht selbst die Chance hatten die Piñata zu zerstören. Am Ende , als die Kinder die an der Reihe waren, dann wirklich die Piñata hätten kaputtmachen dürfen, hat es nicht funktioniert und Schwester Jheanette hat sie kurzer Hand auseinander gerissen.

Danach sind die Ferien angebrochen und Anfang Dezember war es dann auch soweit: Ich habe zum ersten Mal einen Geburtstag getrennt von meiner Familie und meinen Freunden verbracht. Und ich muss zugeben, dass ich die Befürchtung hatte, dass es einer der schlimmsten Tage meines Auslandsjahres wird. Doch dem war nicht so.
Er wurde durch eine Person zu etwas ganz Besonderem, durch Laura. Laura ist eine Zahnärztin und die Cousine von Schwester Jheanneth. In dem Haus, in dem wir leben, haben die Schwestern einen Raum mit separatem Eingang, in dem sie Kommunion- und Firmvorbereitungen machen. Dieser Raum wurde für ca. eine Woche als Zahnarztpraxis umfunktioniert. Denn Laura ist extra angereist, um hier den Menschen helfen zu können. Sie hat von niemandem Geld für ihre Arbeit verlangt und allerhöchstens etwas für die Materialkosten genommen. Sie hat gesagt, sie liebt ihre Arbeit so sehr und schenkt den Menschen gerne ihre "Dienste". Leider ist es so, dass der Dienst eines Zahnarztes in Bolivien wirklich an jeder Ecke gebraucht wird.
In dieser Zeit habe ich Laura wirklich sehr ins Herz geschlossen, da sie eine so nette, offene und liebenswerte Person ist. Und mit ihr hat mein Geburtstag begonnen. Sie war unser "Weckdienst" und ist morgens runter zu uns gekommen, um mich zu schütteln und zu rütteln, sie hat mir ein Ständchen gesungen, mir liebe Geburtstagswünsche ausgesprochen und mich in den Arm genommen. Ich muss zugeben, dass ich anfangs kurz überfordert war, aber dann hat die Freude über diese schöne Geste gesiegt und wir haben gemeinsam gelacht und Torte gegessen.

Und nun zu meinem etwas anderen aber doch gar nicht so unterschiedlichem Weihnachtsfest:
Die beiden Plazas in Sopachuy waren kunterbunt mit vielen verschiedenen Lichterketten geschmückt. Auch unsere Kirche und die hauseigene Kapelle der Schwestern waren weihnachtlich geschmückt und hatten Adventskränze sowie Krippen. Nur ein "richtiger" Weihnachtsbaum hat mir gefehlt. Doch es gab einen bunten "Baum", der aus Plastikflaschen gebastelt worden ist.
Außerdem haben wir uns mit einem kleinen Bastelset, welches mir meine Mutter geschickt hat, zwei eigene, kleine Papier-Weihnachtsbäume gebastelt.

Am Heiligen Abend haben an der Hauptplaza einige Gruppen getanzt und auch meine Mit-Mazlerin Luisa hat daran teilgenommen. Ich war leider krank, aber dafür habe ich dann einige Fotos gemacht und diese ausgelassene Stimmung viel besser auf mich wirken lassen können. Gegen 22:00 Uhr wurde Messe gefeiert.
Danach waren wir zu einer Familie im Dorf eingeladen, um gemeinsam mit ihnen das traditionelle Weihnachtsessen einzunehmen. Dieses besteht aus einer leckeren, pikanten Suppe mit Kartoffeln und Fleisch, dazu gibt es Maiskolben. Nachdem wir zu Ende gegessen haben, wurden kurzer Hand die Tische und Bänke weggeräumt, sodass nun genug Platz zum Tanzen war.

Am 25.12. wurde morgens wieder Messe gefeiert und dazu haben alle ihre Jesuskinder aus der Krippe mitgenommen, um sie vor dem Altar hinzulegen und nach der Messe segnen zu lassen. Weihnachten bzw. auch andere Feste werden hier (wie ihr vielleicht schon gemerkt habt) immer mit viel Tanzen gefeiert. Aber das familiäre Essen und auch einige Dekorationen haben mich doch etwas an das Weihnachten zu Hause erinnert.
Hier kommt einfach noch hinzu, dass Weihnachten auch in der Dorfgemeinschaft gefeiert wird und alle zusammen kommen um gemeinsam zu tanzen, zu lachen und zu feiern.
Was mir an der bolivianischen Vorweihnachtszeit besonders gut gefallen hat, ist, dass man bei seiner Geschenkesuche nicht "überrumpelt" wird. Es gibt keine Reizüberflutung von weihnachtlichen Dingen. Dadurch und wegen des warmen, sonnigen Wetters war es allerdings auch etwas schwieriger in Weihnachtsstimmung zu kommen. Aber es hat auf den letzten Drücker dann ja doch noch geklappt.

Zu Silvester war ich in einer Familie. Doch zuerst war Messe um 22:00Uhr. Danach bin ich zur Familie gegangen und wir haben gemeinsam auf 00:00Uhr gewartet. Danach wurde ein bisschen Feuerwerk gemacht, aber leider nicht so viel, wie ich es gewohnt bin. Währenddessen haben wir uns alle ein frohes neues Jahr gewünscht und sind langsam rein gegangen.
Für die "Pachamama" (die Mutter Erde) hatte die Familie vorher ein kleines Feuer gemacht und etwas vorbereitet: kleine Zuckerplatten in denen verschiedene Dinge wie Glück, Geld, Liebe, Erfolg; Gesundheit usw. eingeschrieben waren. Alles war auf einem Karton mit verschiedenen Pflanzen, wie z.B. genau zwölf Cocablätter. Dazu bekam jeder ein kleines Glas mit Wein, um es gegen den Uhrzeigersinn um das Feuer schütten. Durch diesen Brauch soll man Glück im neuen Jahr bekommen.
Nach diesem Ritual wurde gegessen und zwar Schweinefleisch, denn auch dies soll Glück bringen. Alles in allem war es ein gemütliches Zusammensitzen, mit kleinen Trinksprüchen und einer sehr angenehmen Stimmung. Außerdem bekam jeder vor dem Essen noch ein paar Trauben. Während man diese Trauben gegessen hat durfte man im Geiste drei Wünsche für das neue Jahr äußern. Ab gesehen von den "Opfern" für die Pachamama war es also recht ähnlich zu den familiären Silvesterfeiern die ich kenne.

- Lara