MaZ: "Die Menschen haben mir ihr Herz geöffnet"

Von tränenreichen Verabschiedungen, einem wimmelnden Ameisenhaufen, der sich dem Stillstand nähert und ein Herz, erfüllt von Dankbarkeit.

Der Abschied kam plötzlich: Mitten im Alltag musste Chirara, die als Missionarin auf Zeit in Indien war, ihre Koffer packen und wegen der Corona-Pandemie ihren Einsatz frühzeitig beenden. Nach dem ersten Schock blickt sie dankbar auf ihre Zeit zurück.

Seit meiner verfrühten Rückkehr nach Deutschland sind mittlerweile zwei Monate vergangen. Obwohl ich in den ersten Wochen oft mit Wehmut und Sehnsucht an meine Zeit in Mumbai zurückgedacht habe, stiehlt sich jetzt ein großes Lächeln auf mein Gesicht, wenn ich an meinen MaZ-Einsatz, und besonders an meine letzten Wochen vor Ort zurückdenke. Aber zunächst erst einmal alles auf Anfang, oder in diesem Fall, alles auf den Anfang des Endes.

Der gesamte Einsatz hat meine Haltung, Einstellung und Persönlichkeitsentwicklung maßgeblich beeinflusst. Die Zeit in Indien war eine der intensivsten und ereignisreichsten, die ich in meinem Leben bisher erlebt habe, dennoch sind es insbesondere die letzten Wochen in Indien, die mich am meisten geprägt haben. Jeder, der schon einen MaZ-Einsatz absolviert hat, kann mir mit Sicherheit bestätigen, dass sich besonders nach dem Jahreswechsel das Gefühl einstellt, in der zuvor ungewohnten Umgebung und neuen Heimat vollkommen angekommen zu sein und, dass man sowohl im Aspekt des Mitarbeitens als auch dem des Mitlebens eine starke Zugehörigkeit verspürt. Aus der einstigen Fremde wird ein zweites Zuhause. Das Arbeiten mit und am Patienten, was anfangs noch von Scheu und Unsicherheit begleitet wurde, ist nun zur Routine geworden. Man weiß, was zu tun ist, wo eine helfende Hand gebraucht wird, wann Vitalzeichen überprüft und Medikamente verteilt werden müssen, ohne darauf hingewiesen zu werden.

Den Durchbruch, den ich in der letzten Zeit am meisten gefeiert habe: die Sprache. Besonders anfangs habe ich mit Hindi sehr gekämpft, mit dem Sprechen läuft es zwar immer noch nicht sonderlich gut, jedoch hat das Verstehen der Sprache besonders im Projekt maßgebliche Veränderungen mit sich gebracht. Ich konnte nicht nur den Sorgen und Nöten der Patienten schneller Abhilfe verschaffen, sondern musste meine Kollegen nicht mehr als persönlichen Dolmetscher verwenden. Außerdem konnte ich dadurch mehr über die Patienten, ihre Hintergründe und Familien erfahren, was ihnen oft etwas Ablenkung schuf und mir neue Kenntnisse über die verschiedenen Stimmen der vielfältigen Kultur schenkte.

Fernab von dem Corona-Chaos, wovon Indien lange Zeit verschont blieb, habe ich meine letzten Wochen in Indien, besonders meine Geburtstagsfeier, in vollen Zügen genossen. Doch dann war sie auf einmal da, die Nachricht, dass wir MaZe nach Deutschland zurückkehren müssen. Aus anfänglicher Trauer und Unverständnis, wurde schnell Einsicht, die Tränen beim Abschied wurden dadurch jedoch nicht gemindert. Das Ausmaß von Corona war mir zum Zeitpunkt meiner Rückkehr zwar noch nicht vollständig bewusst, dennoch machten die Auswirkungen des Virus sich auch vor Ort schon bemerkbar. Das tägliche Verkehrschaos nahm ab, die Massen, die sich sonst durch die Straßen drängten, wurden weniger, und auch die kleinen Geschäfte in der umliegenden Gegend machten nach und nach zu: Wie in einem Ameisenhaufen, in dem das Wimmeln und Durcheinander langsam zum Erliegen kommt. Zunächst schien es nicht dramatisch, rückblickend erscheint es jedoch als äußerst beängstigend.

Zurück daheim kommt oft die Frage auf, wie die Zeit in Indien denn jetzt eigentlich so war und auf was man zurückblickt und dankbar ist. Eine Frage, die sich aufgrund des langen Aufenthaltes vor Ort nur schwer kurz und knapp beantworten lässt. Jedoch gibt es doch einiges, was grob zusammengefasst meine Dankbarkeit und meine Freude recht gut beschreibt, wenn ich an meinen Einsatz zurückdenke. Ich bin jedem, dem ich in meiner Zeit in Indien begegnet bin, der mir sein Herz geöffnet hat, mich aufgenommen hat und unterstützt hat, unendlich dankbar. Im Vorhinein habe ich mir nie ausmalen können, dass in so einer verhältnismäßig kurzen Zeit so tiefe Bindungen und Freundschaften entstehen können. Besonders wertgeschätzt habe ich die Offenheit, mit der mir alle begegnet sind, insbesondere auch die Bereitschaft der Schwestern mich liebevoll in ihrer Mitte aufzunehmen und an ihrer Gemeinschaft und ihrem alltäglichen Leben teilhaben zu lassen.

Von ihrer Simplizität, Bescheidenheit und ihrer Hingabe zum Glauben konnte ich viel lernen und mitnehmen. Jede einzelne Begegnung hat mich gewissermaßen beeinflusst, manche weniger, andere mehr. Es gibt so vieles, was ich aus den Zusammentreffen und Freundschaften mitnehme, die sehr eng mit der Kultur und Denkweisen der Menschen verlinkt sind. Diese möchte ich auch in meinem Alltag daheim integrieren und nutzen, um Brücken zu bauen zu einer Welt, die uns meist ferner erscheint als sie eigentlich ist.

- Chiara M.