MaZ: Medizin und Bibeln - unbezahlbar

Im August 2014 habe ich mich in den Nordosten Indiens aufgemacht, um als MaZ mit den Steyler Missionsschwestern in einem ihrer Krankenhäuser zu arbeiten. Das Krankenhaus und der Konvent, in dem ich lebe, befinden sich im Bundesstaat Assam, in der Kleinstadt Haflong in den Barail-Bergen.

Hier leben sehr viele verschiedene indigene "Tribes" (etwa: Volksstämme), die ihre Wurzeln in der Mongolei haben, was man am asiatischen Aussehen der Menschen erkennen kann. Knapp 70 % der Bevölkerung der Stadt gehört einer solchen Tribe an. Die anderen sind meist Bengalen oder Assamesen.
Im Gegensatz zum hinduistischen Indien sind viele Tribes in den "Sieben-Schwestern-Staaten" im Nordosten Christen. In Haflong gehören fast drei Viertel der Bevölkerung dem Christentum an. Da es hier sehr bergig ist (Wir liegen auf ca. 700 m Höhe), ist leider die Infrastruktur sehr schlecht und die meisten Dörfer sind nur zu Fuß zu erreichen; teilweise sind es mehrere Tagesmärsche dorthin. Auch Haflong ist nur schwer erreichbar. Mit dem Zug und mit dem Jeep sind es, je nach Jahreszeit, zwischen sieben und zehn Stunden von der nur 300 km entfernten Hauptstadt Guwahati aus.

Seit nun fünf Monaten arbeite ich im Holy Spirit Hospital. Das Krankenhaus gilt wegen seiner guten hygienischen Bedingungen (für indische Verhältnisse) im weiten Umkreis als eines der besten. Es verfügt sogar über ein Röntgengerät, Endoskopie- und Sonographiegerät, einen Kreiß- und einen OP-Saal. Insgesamt können ca. 40 bis 50 Patienten aufgenommen werden.
In Indien gibt es keine Krankenversicherung. Bei jeglicher Behandlung muss im Voraus bezahlt werden. In den staatlichen Krankenhäusern ist leider die Korruption ziemlich hoch, d. h. man muss oft mehr als nötig bezahlen, um überhaupt behandelt zu werden. Da die Schwestern ihre Mission und die Liebe zu ihren Mitmenschen wirklich leben, kommen hier sehr viele arme Menschen her. Sie wissen, dass sie nicht abgewiesen werden, sondern unabhängig von Geld behandelt werden.

Das jetzige Krankenhaus ist im Gebäude einer alten Schule untergebracht und wurde wieder zur Lehranstalt: Anfang September 2014 wurde eine Krankenschwesternschule mit Internat für 20 Schülerinnen eröffnet. Hier in Indien gilt leider die Regel: reich = gebildet, arm = ungebildet. Die Schwestern jedoch wollen diesen Teufelskreis durchbrechen und auch armen Mädchen den Zugang zu Bildung ermöglichen, weshalb Aufnahmegebühr und Schulgeld für diese Mädchen von den Schwestern übernommen werden.
Besonders interessant finde ich, dass viele Stämme hier im Nordosten im Matriarchat leben, Mädchen (im Gegensatz zum restlichen Indien) genauso gebildet sind wie Jungen, die Menschen (unabhängig vom Bildungsgrad) unglaublich emanzipiert sind und es Liebesheiraten gibt. Auch gibt es hier nicht das Problem der vielen Abtreibungen von weiblichen Föten, eine Tribe-Familie freut sich über ein neugeborenes Mädchen genauso wie über einen Jungen. Leider geht dies alles langsam durch den Einfluss des hinduistischen Indiens verloren.

Ein großes Problem in dieser Region sind Infektionskrankheiten, wie HIV/Aids, Malaria und Krankheiten, die in Deutschland durch die gute medizinische Versorgung weitgehend als ausgerottet gelten, wie Tuberkulose und Diphtherie. Viele Menschen hier, besonders Kinder, sterben daran, weshalb die Schwestern Aufklärungsprojekte gestartet haben. Sie gehen in Schulen und Dörfer, informieren die Menschen dort, haben Selbsthilfegruppen für Betroffene gegründet und geben Medikamente an Erkrankte aus. Außerdem fahren bzw. gehen die Schwestern in die umliegenden Orte um kostenfrei Babys und Kleinkinder zu impfen und Erste Hilfe zu leisten.
Ein weiterer Teil der Arbeit ist das Medical Camp. In Zusammenarbeit mit der Armee werden zwei Krankenschwestern unseres Krankenhauses von Soldaten in die umliegenden Dörfer gebracht, um dort die Menschen medizinisch zu versorgen. Neben den Krankenschwestern stellen die Missionsschwestern immer die Medikamente, weshalb die Menschen nichts bezahlen müssen und so auch die Ärmsten Zugang zu Medizin erhalten.

Meine Arbeit ist sehr vielseitig: Registrierung und Erstaufnahme von Patienten in der Notaufnahme, messen der Vitalzeichen, Medikamente verabreichen, kleine Wunden versorgen und den Ärzten und Krankenschwestern bei den unterschiedlichsten Dingen assistieren. Besonders spannend ist für mich das Medical Camp. Man kommt nochmal auf eine ganz andere Weise mit den Menschen vor Ort in Kontakt. Viele bewegende und rührende, traurige und schöne Momente durfte ich schon erleben und vieles für und über das Leben habe ich gelernt.

Neben der Krankenhausarbeit sind die Schwestern auch pastoral aktiv, wodurch ich das Leben hier am besten kennenlernen konnte. Unsere Pfarrei ist flächenmäßig ziemlich groß und alle Dörfer in unserer und der gegenüberliegenden Bergkette gehören dazu. Sie wird von den Don-Bosco-Brüdern geleitet. Und so durfte ich schon zu einigen Versammlungen verschiedener Tribes in den Bergen, zu Hochzeiten und Taufen auf Berggipfeln bei Sonnenuntergang und zu pastoralen Treffen meiner jetzigen Diözese.
Diese sind besonders interessant, da man dort die unterschiedlichen Schwierigkeiten in der katholischen Kirche global deutlich sehen kann: Das Hauptproblem hier ist, dass viele Familien so arm sind, dass sie sich keine Bibel und/oder keinen Rosenkranz leisten können.

Die Hälfte meines Einsatzes ist nun schon vorbei und nach dem Zwischenseminar und dem Besuch meiner Familie freue ich mich auf eine zweite spannende und bereichernde Zeit in Haflong.

- Anna