MaZ: Von der Grenze bis zum Osterfest

Der Frühling ist da. Leider kann man dem Wetter hier in Chicago nie so ganz vertrauen, aber seit Anfang April erwärmen die Sonnenstrahlen wieder meine Haut. Im Februar hat das Center wieder so richtig mit dem Unterricht begonnen und ich habe viele neue Gesichter kennengelernt.

Zudem bieten wir nachmittags Hausaufgabenhilfe an, was sehr guten Anklang findet. Viele der Mütter sprechen kein Englisch, sodass sie die Hausaufgaben ihrer Kinder nicht korrigieren können. Dort will unser Center helfen.

Nachdem alle Hausaufgaben erledigt sind gestalten wir kleine Aktivitäten. Zur Springbreakpause (Frühlingsferien), wo die Kinder keine Schule hatten, haben wir beispielsweise Eiscreme hergestellt. Alle Kinder waren ganz aufgeregt und wir Koordinatoren waren am Ende glücklich, dass es tatsächlich geklappt hat. Zudem unterstütze ich seit Anfang März eine Organisation namens "Catholic Charities", welche Flüchtlingskindern und ihren Familien den Start hier in den USA ermöglicht. Auch dort helfe ich bei der Hausaufgabenbetreuung und bei Workshops.
Diese Arbeit bereichert mich sehr. Ich treffe Kinder aus Pakistan, dem Tschad, Afghanistan, dem Sudan und Thailand. Viele sprechen teilweise bis zu sechs Sprachen, da sie aufgrund der Kriege ständig fliehen mussten. Und alle lernen die englische Sprache sehr schnell, obwohl sie erst einige Wochen im Land sind und ihre traumatischen Erlebnisse und eine völlig neue Kultur verarbeiten müssen.

Viel über Immigration habe ich auch Anfang März gelernt, als ich mich auf den Weg nach El Paso, Texas gemacht habe, wo mein Zwischenseminar stattgefunden hat. Ich durfte an einer "Border Experience" ("Grenzerfahrung") teilnehmen.
Ich weiß gar nicht, wie ich diese Erfahrungen in Worten beschreiben soll. El Paso liegt direkt an der Grenze zu Mexiko. Die Grenze ist durch einen hohen Zaun markiert, das ganze Grenzgebiet ist militarisiert und bewacht, sodass niemand die Grenze überschreiten kann.
Ich habe eine Gruppe von Studenten begleitet und zusammen haben wir mit Menschen gesprochen, die die Grenze illegal und ohne Papiere überschritten haben. Wir haben in einem Heim mit diesen Menschen gelebt und uns ihre Geschichten angehört.

Sie sind auf der Flucht, viele von ihnen werden in ihren Heimatländern von Banden terrorisiert und leiden unter Armut. Sie machen sich auf den Weg, weil sie in Angst leben. Diese Menschen sehnen sich nach Sicherheit, doch man lässt sie nicht, weil es einen Zaun gibt.
Die Reise von Mexiko ist gefährlich, jeden Tag werden Menschen erschossen. Dort wo es keinen Zaun gibt, ist Wüste. Viele versuchen auf diesem Wege in die USA zu kommen. In unserem Gespräch mit der Grenzpolizei jedoch kam heraus, dass viele einfach in der Wüste verdursten.
Für Menschen aus Südamerika ist es unglaublich schwer, eine permanente Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Wir haben mit Rechtanwälten gesprochen, die den Menschen helfen, ein Visum oder Asyl zu beantragen, doch in El Paso werden 96 % dieser Anfragen abgelehnt.
Es ist schwer zu beschrieben, wie sich diese Menschen fühlen.

Seit ich in El Paso war hat sich die Beziehung zu den Frauen hier im Center verändert. Ich kann sie viel besser verstehen, denn ich weiß, was sie durchgemacht haben. In dieser bedrückenden Stimmung, die ich in mir getragen habe, stand Ostern vor der Tür und damit unser großes "Pascua Retiro" (Kar- und Ostereinkehrtage).
Wir als Jugendgruppe haben vier Tage für Kinder vorbereitet (von Gründonnerstag bis Ostersonntag), damit die Kinder das Leiden Jesu verstehen lernen. Ich kann sagen, ich habe noch nie so ein schönes Osterfest gefeiert. Am Palmsonntag haben die mexikanischen Frauen aus Palmwedel Kunstwerke gebastelt, die der "Padre" (der Priester) gesegnet hat. Am Gründonnerstag gab es ein Theaterstück vom letzten Abendmahl und eine zweisprachige Messe.

Am Freitag folgte die "Via Crucis" (Kreuzweg) von der mir schon berichtet worden ist. Mitglieder aus der Gemeinde führen die 14 Leidensstationen Jesu auf. Das Szenario war wirklich real und Jesu trug sein Kreuz durch die Straßen unserer Nachbarschaft gefolgt von 1.000 Gemeindemitgliedern. Wir liefen zusammen durch die Straßen singend und betend und Menschen kamen an ihre Fenster und Türen und beteten mit uns.
Besonders berührte mich die Tatsache, dass ich einen Polizisten das Vater Unser mit uns beteten sah, denn in El Paso habe ich gesehen, wie Menschen gegeneinander arbeiten; dies zeigte mir, dass wir doch alle vereint sind.
Die Osternacht war begleitet von einer erleuchteten Kirche aus Kerzenschein, herrlicher mexikanischer Musik und den sieben Bibelstellen, abwechselnd in Englisch und Spanisch. Dieses Ostern war eine völlig neue Erfahrung für mich. Ich durfte wieder ein Stück weiter in die mexikanische Kultur eintauchen.

Erholt von dem berauschenden Osterfest ging es für mich Anfang April auf einen kleinen Trip, denn ich folgte der Einladung der Franziskaner-Schwestern bei englisch- deutscher Übersetzung zu helfen. Die Schwestern haben ihr Mutterhaus in Joliet (das liegt südlich von Chicago). Die Schwestern hatten Mitschwestern aus Deutschland zu Besuch, die jedoch kein Englisch sprachen.

Ich wurde herzlich willkommen geheißen und habe Präsentationen, Gespräche und ein Theaterstück übersetzt. Es war eine tolle Erfahrung, denn ich habe einen anderen Orden kennengelernt und deren Projekte. Besonders schön, neben der Übersetzungserfahrung fand ich die Tatsache, dass wir Decken für ein Heim für Teenagermüttern hergestellt haben, sowie Hygieneartikel für ein Obdachlosenheim zusammengepackt haben. Es war eine schöne Geste.

Zudem hatte ich die Möglichkeit eine unserer Schwestern nach Wisconsin zu begleiten, wo die Schwestern eine Art Ferienhaus haben. Es tat gut mal aus der Stadt herauszukommen und der Ort war voller Natur.

- Fabienne