MaZ: „Ein bisschen Wundertüte ist auch mit dabei“

Beglückt durch viele neue Eindrücke schildert Marie in ihrem Rundbrief, wie für sie der erste Monat als MaZ in Bolivien war. Neben der Sprachschule hat sie auch schon begonnen, in einem von zwei Projekten mitzuarbeiten und ist viel mit den Steyler Schwestern unterwegs.

Marie (rechts) und ihre Mitfreiwillige Elisabeth helfen bei der Zubereitung des Essens in der Kommunität der Schwestern

Zurzeit lebe ich zusammen mit meiner Mit-MaZ Elisabeth und drei Steyler Schwestern in Santa Cruz de la Sierra, einer Großstadt, die ziemlich in der Mitte von Bolivien liegt. Es ist eine Stadt, die im Gegensatz zu anderen großen Städten in Bolivien, nicht hoch gelegen ist. Daher ist es hier auch nicht wirklich kalt, zumindest wenn man die Temperaturen, mit denen in Deutschland vergleicht. Eine der ersten Sachen, die ich aber festgestellt habe, ist, dass hier schon 17 Grad als kalt angesehen werden und irgendwie fühlen sich diese Temperaturen wirklich eher an wie 7 Grad.

In unseren ersten zwei Wochen haben wir eine Sprachschule in der Stadt besucht, um unser Spanisch aufzubessern. Wir hatten zwar beide Spanisch in der Schule, aber es ist doch ziemlich schwer, die Leute hier in Santa Cruz zu verstehen. Mittlerweile haben wir die Sprachschule beendet und müssen nun selbstständig diese Sprache lernen. Das machen wir auf zwei Weisen: Einerseits nutzen wir natürlich die Gespräche mit anderen Menschen und fragen nach, wenn wir etwas nicht verstehen. Glücklicherweise sind hier alle wirklich sehr freundlich und geduldig, umschreiben uns einzelne Wörter und machen uns auf typische Dinge in der Sprache aufmerksam. Unsere zweite Lernmethode erfordert etwas Kreativität. Wir haben die Wände in unserem Zimmer mit Geschenkpapier beklebt und dieses mit Grammatik und Vokabeln beschriftet. Diese Plakate erweitern wir auch regelmäßig, was uns beiden sehr weiterhilft. Besonders hilfreich sind für uns die Vokabeln für Gemüse oder die Namen von Gerichten wie „sopa de mani“, also Suppe aus Erdnüssen, denn eines unserer beiden Projekte hat viel mit Essen zu tun.

Wir arbeiten nämlich im Comedor, einem Angebot unserer Gemeinde, bei dem es drei Mal in der Woche ein Mittagessen für wenig Geld gibt und es kommen die unterschiedlichsten Menschen. Die meisten sind Kinder und Jugendliche, die meistens nur mit ihrer Mutter zusammenleben. Es kommen aber auch einige ältere Menschen, die nur wenig Geld haben und teilweise sogar auf der Straße leben. Es ist wirklich schön, gemeinsam mit all diesen Menschen zu Mittag zu essen und sich mit ihnen auszutauschen. Besonders die Kinder sind sehr offen und besonders interessiert an der deutschen Sprache, sodass wir ihnen alle möglichen Wörter übersetzen dürfen, was meistens mit ausgiebigem Lachen aufgenommen wird. Wir haben aber auch schon Fußball oder Bingo mit ihnen gespielt, was nicht nur für die Kinder toll war.

Unsere Aufgabe dort ist es auch, bei der Vorbereitung des Essens zu helfen. So haben wir zum Beispiel schon kiloweise Möhren und Kartoffeln geschält und in kleine Würfelchen geschnitten. Zwar können wir noch längst nicht mit der Geschwindigkeit der Köchinnen mithalten, aber wir versuchen uns die Techniken abzuschauen, was mehr oder weniger gut funktioniert. Zum Mittag sind wir aber glücklicherweise immer fertig, sodass es auch was zu Essen gibt. Meistens ein Stück Fleisch und dazu Reis und Gemüse. Und auch wenn das Essen natürlich anders ist als wir es gewöhnt sind, probieren wir uns durch alles durch und konnten uns schon zum Großteil daran gewöhnen. Als Getränk gibt es oft mit Wasser pürierten Sesam, Leinsamen oder ähnliches mit einer ziemlich großen Portion Zucker, sodass das Getränk recht süß ist. Aber auch an die süßen Getränke haben wir uns schnell gewöhnen können.

Wovon ich auch noch berichten möchte, ist unsere Erfahrung, dass besonders in der ersten Zeit das Leben für uns ein bisschen wie eine Wundertüte war. Die Schwestern haben uns nämlich zu allen möglichen Orten und Treffen mitgenommen und wir wussten nie, was uns erwartet. So haben wir an einem Tag das Haus verlassen und dachten, dass wir gemeinsam zum Markt einkaufen fahren. Letztendlich waren wir den ganzen Tag unterwegs. Zuerst auf einem so großen Markt, wie ich ihn noch niemals gesehen habe und an dem es von Kleidung über Werkzeug bis hin zu Möbeln alles gab. Danach haben wir eine Familie besucht, die uns mit sehr viel zu Essen umsorgt hat, und mit der wir uns sehr gut unterhalten haben. Diesen Tag haben wir dann auf einem weiteren riesigen Markt enden lassen, auf dem wir sehr viel Obst und Gemüse eingekauft haben. Besonders an diesem Markt ist, dass man ihn mit Autos befahren kann, aber das ist auch nachvollziehbar, denn diese riesigen Kartoffelsäcke möchte vermutlich keine*r gerne weit tragen.

Viele der gekauften Früchte waren für das Gefängnis hier in Santa Cruz, in dem zwei der Schwestern arbeiten. Auch für uns wird das Gefängnis in nächster Zeit zu einem Arbeitsplatz werden, denn, und das ist unser zweites Projekt, es gibt dort einen Kindergarten, in dem die Kinder der inhaftierten Frauen betreut werden und wir werden dort mitarbeiten. Wie genau unsere Arbeit dort aussehen wird, erzähle ich gerne im nächsten Rundbrief aus Santa Cruz.

Aber unsere Erlebnisse sind noch nicht zu Ende, denn natürlich gehört für uns als MaZ auch dazu, die Messen und Gebete zu besuchen, sodass wir neben unseren Morgengebeten hier in der Kommunität auch die Messen in verschiedenen Kirchen und Kapellen besuchen, in denen wir bisher mit sehr großer Herzlichkeit empfangen wurden und uns die verschiedensten Menschen ein „Bienvenida en Bolivia“ (Willkommen in Bolivien) gewünscht haben. Diese Momente freuen mich immer sehr, denn damit fühle ich mich in die Gemeinschaft aufgenommen und das ist für mich ein Schritt, um hier wirklich anzukommen. Das ist ein Teil von dem, was ich mir für meinen MaZ-Einsatz gewünscht habe, nämlich aufgenommen zu werden, und es ist wirklich schön, dass ich diese Erfahrung bereits machen durfte. Wir besuchen aber nicht nur Messen, sondern waren auch schon bei einem Rosenkranzgebet, welches bei einer Familie zu Hause im Wohnbereich stattgefunden hat. Noch so eine Erfahrung aus unserem Leben in einer Wundertüte, denn darauf waren wir auch nicht eingestellt, aber es war wirklich sehr interessant und jetzt können wir immerhin auch schon auf Spanisch mitbeten.

Ansonsten haben wir mittlerweile gelernt, wie der öffentliche Verkehr hier funktioniert, wie man sich begrüßt und dass das Essen hier eine sehr große Bedeutung hat, sodass immer etwas angeboten wird und dieses auch angenommen werden sollte. Wir haben angefangen, Aufgaben in der Kommunität zu übernehmen und vor Kurzem auch endlich unser Visum erhalten, was uns sehr gefreut hat. Wir kommen hier also langsam wirklich an.

Zum Abschluss darf nicht fehlen, dass es hier in Santa Cruz nicht nur Steyler Missionsschwestern gibt, sondern auch Steyler Missionare und wir eingeladen wurden, bei ihnen den Auftakt des Jubiläumsjahres zum 150-jährigen Bestehen ihrer Kongregation mitzufeiern. Nach einer feierlichen Messe sind vor der Kirche viele Tanzgruppen aufgetreten, was wirklich sehr eindrucksvoll war, denn sowohl die Tänze als auch die Kleidung, die wir zu sehen bekommen haben, waren sehr vielseitig und natürlich ganz anders, als man es von Festen in Deutschland kennt. Zu meiner Freude durften wir nicht nur zuschauen, sondern wurden auch aufgefordert, selbst mal mitzutanzen, sodass wir plötzlich vor sehr vielen Leuten, die dieses Fest besucht haben, einen Tanz tanzen durften, den ich absolut nicht kannte und der viel Improvisation erforderte, der mir aber auch sehr viel Spaß gemacht hat. Und auch hier haben wir die Möglichkeit gehabt, viele Menschen zu treffen, in Bolivien begrüßt zu werden und mehr in die bolivianische Kultur einzutauchen. Ich freue mich schon sehr darauf, weitere elf Monate hier zu verbringen!

Viele Grüße aus Santa Cruz de la Sierra

Marie