MaZ: Jeder Tag hat seine Geschichte

Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Vor gut einem Monat bin ich hier in Ponta Grossa angekommen, mit vielen Erwartungen, Fragen, Ängsten, aber auch mit sehr viel Vorfreude im Gepäck.

Schon am Flughafen in Curitiba wurde ich sehr herzlich von Sr. Ágada, der Provinzoberin, und Sr. Maria empfangen. Die ersten zwei Tage habe ich in Curitiba (der Hauptstadt von Paraná, "meines" Bundesstaates) in einer kleinen Kommunität von drei Schwestern verbracht, weil am Tag nach mir noch eine Schwester aus Timor Leste angekommen ist, die wir dann gleich nach Ponta Grossa, meiner Heimat für das nächste Jahr, mitgenommen haben. Hier in Ponta Grossa habe ich die ersten dreieinhalb Wochen im Provinzhaus der Südprovinz Brasiliens der Steyler Schwestern gewohnt. Dort wohnen ca. 30 Schwestern, eine herzlicher wie die andere. So wurde ich unzählige Male geküsst und umarmt, wie das in Südamerika so üblich ist.
Das Gelände des Hauses ist riesengroß, es gibt Kühe, Hühner und Schweine, und die Schwestern bauen ihr eigenes Gemüse und Obst an. Als ich am ersten Tag einen Erkundungsspaziergang machte, brauchte ich eine ganze Stunde, um alles abzugehen und anzuschauen.

Ponta Grossa hat ca. 330.000 Einwohner. Die ganze Stadt ist in einem kleinen Tal gelegen, sodass man eigentlich immer entweder rauf oder runter fährt/geht. Da das Zentrum an der tiefsten Stelle liegt, hat man immer, wenn sich eine Lücke zwischen den Häusern auftut, einen wunderschönen Ausblick auf die Stadt. Das durfte ich das erste Mal erleben, als ich mit Sr. Olmira, die hier für mich verantwortlich ist, zur Bundespolizei gefahren bin, um meinen "Personalausweis" zu beantragen.

Meine Zeit im Provinzhaus habe ich hauptsächlich damit verbracht, meine Sprachkenntnisse zu vertiefen. Ich hatte jeden Tag je eine Stunde am Vormittag und Nachmittag Unterricht bei Sr. Anita, einer Schwester, die auch viele Ausflüge mit mir gemacht hat, um mir alles zu zeigen. In unseren Schulstunden haben wir Kinderbücher gelesen, Spiele gespielt und geredet. Meine Hausaufgabe war es immer, eine Geschichte zu schreiben. So begann jeder Tag mit einer Geschichte, ich schrieb über Regentage, über Frühlingstage, über Spinnen und über Ausflüge in die Stadt.

Vor fünf Tagen bin ich in meine Gastfamilie umgezogen. Ich wohne jetzt bei einem etwas älterem Ehepaar, Sandra und João, in einem kleinen, ziemlich zentral gelegenen Haus. Die beiden haben erwachsene Kinder, die auch öfters zu Besuch kommen, einen Hund und einen Vogel. Ich fühlte mich sofort willkommen, da Sandra mich sofort zu einem Treffen in der Kirche und einem anschließenden Spaziergang durch die Stadt mitgenommen hat. Das Haus ist gar nicht weit von meiner Einsatzstelle entfernt, ich gehe ca. 20 Minuten zu Fuß.

Meine Einsatzstelle ist die "Creche Vila Cloris", ein Kindergarten, wo aber auch kleine Babys betreut werden. Die Kinder kommen aus armen Familien, viele leben in Favelas, den Armenvierteln Brasiliens, hier in Ponta Grossa. Die Kinder werden dort ganztags umsonst betreut, um den Eltern zu ermöglichen, den ganzen Tag zu arbeiten, um genug Geld für ihre Familien zu verdienen.

Gestern haben wir im Provinzhaus ein großes Fest gefeiert, das Jubiläum von sechs Schwestern. Dazu haben wir einen wunderschönen Gottesdienst gefeiert, mit viel Musik und sogar einer Tanzeinlage. Danach haben wir alle zu Mittag gegessen, viel geredet, gelacht und am Ende mit vereinten Kräften das Geschirr von ca. 80 Leuten (die Schwestern hatten alle Gäste) mit der Hand gespült.

Heute war mein erster Arbeitstag in der Creche, ich werde aber erst im nächsten Rundbrief von meinem Alltag und meinen Aufgaben dort erzählen, wenn ich mich etwas besser dort eingewöhnt habe.

- Milena