MaZ: Neues Projekt und Karnevalsfreuden

25.08.2023. Vor genau einem halben Jahr ging „meine Reise ins Unbekannte los. Und jetzt kann ich mir schon gar nicht mehr vorstellen, wieder zurück nach Deutschland zu fliegen, so sehr ist Cochabamba in den letzten Monaten mein Zuhause geworden“, schreibt Emma in ihrem MaZ-Rundbrief.

Emma (hockend) arbeitet mit ihrer Gruppe zum Thema Gewalt.

Seit Anfang des Jahres hat sich einiges geändert, was mein Leben hier betrifft. Die wohl größte Umstellung ist das neue Projekt, in dem ich arbeite. Die Fundación Estrellas en la Calle hat immer wieder Finanzierungsprobleme, was sich immer am Ende eines Jahres zeigt, wenn neue Unterstützung aus der ganzen Welt gesucht wird. Leider hat diese nicht mehr gereicht, das Gründungsprojekt Coyera (=Kumpel), das Menschen auf der Straße unterstützt und motiviert sich ein neues Leben aufzubauen, ein weiteres Jahr durchführen zu können. Auch die Verträge von drei meiner Kollegen konnten nicht verlängert werden. Stattdessen gibt es nun ein neues Projekt, das einen ähnlichen Ablauf hat wie Coyera, allerdings mit einer anderen Zielgruppe. Dieses Projekt ist für  Kinder, Jugendliche und junge Frauen konzipiert, die in unsicheren Verhältnissen leben, die bereits auf der Straße leben oder drohen, dorthin abzurutschen.

Ein normaler Arbeitstag sieht bei mir so aus:

Um 8 Uhr treffen mein Kollege und ich uns im Büro, wo wir die Materialien für den Tag checken. Dann wird getankt und ein kleines Frühstück eingekauft, bevor wir eine der Gruppen am zuvor ausgemachten Treffpunkt abholen, mit der wir zum Beispiel in einen Park, auf einen Fußballplatz oder auch an touristische Orte wie den Cristo de la Concordia fahren. Dort frühstücken wir zusammen, spielen, malen und rätseln. Außerdem haben wir immer einen lehrreichen Teil vorbereitet, in dem wir mit den Menschen zusammen ein Thema, wie Gewalt, Familie oder Gesundheit erarbeiten. Bevor wir alle wieder absetzen, gibt es entweder ein Mittagessen zum Mitnehmen oder wir essen alle zusammen.

Leider können wir das nicht jeden Tag machen, da auch allerhand Papierkram zu erledigen ist, Geldanträge müssen gestellt werden, Rechnungen beglichen und Berichte geschrieben werden. Das erledigen meistens mein Kollege und ich, weil wir eines der Autos der Fundación benutzen können.

Die Arbeitsumstellung hat dazu beigetragen, dass ich mich sehr intensiv mit mir selbst und meinem letzten halben Jahr auseinandergesetzt habe. Anfang Februar ging es nämlich für mich und meine Mit-MaZler*innen Fiona und Mika, die auch in Bolivien sind, zum Zwischenseminar von Kubekom nach Santa Cruz. Eine Woche lang haben wir uns dort über unsere Erfahrungen, Probleme und Wünsche für die zweite Hälfte unseres Freiwilligendienstes ausgetauscht. Insgesamt waren wir dabei 23 Freiwillige aus Bolivien, Peru, Brasilien und sogar Costa Rica. Eigentlich dachte ich, ich hätte dieses Seminar gar nicht so nötig und wüsste ganz gut, was so innerlich und außerhalb bei mir los ist. Erst während wir einen ganzen Tag lang in Kleingruppen unsere Zeit reflektieren sollten, ist mir aufgefallen, wie wichtig das war. Mir ist einiges klar geworden, was mir vorher gar nicht so aufgefallen ist und ich konnte danach ganz klar sagen, wie unheimlich positiv meine letzten sechs Monate hier waren, auch wenn natürlich nicht immer alles gut läuft. Auch wie viel ich schon lernen durfte und wachsen konnte, ist mir erst in dieser Woche bewusst geworden. Außerdem habe ich dort Menschen kennengelernt, die ich schon nach dieser kurzen Zeit zu meinen sehr guten Freund*innen zählen kann.

Nach diesem intensiven Zwischenseminar war ich eigentlich vollkommen bereit, neu in meine Arbeit und mein Leben in Cochabamba zu starten, aber das musste noch warten, denn es ging gleich weiter mit Karneval. Ich komme aus Franken, bei uns heißt es eigentlich Fasching, aber viel am Hut hatte ich damit noch nie. Dementsprechend war es für mich besonders aufregend, auch wenn der Karneval in Bolivien nicht zu vergleichen ist mit Fasching in Deutschland.

Der größte Karnevalsumzug Boliviens findet in Oruro statt und seitdem wir hier sind, wurde uns immer wieder gesagt, dass wir da unbedingt hinmüssen. Haben wir natürlich gemacht. Leider waren alle Unterkünfte schon seit Monaten reserviert, also sind wir am Samstag morgens um halb 5 losgefahren, so gegen 10 Uhr morgens angekommen und am Sonntag um 5 Uhr nachts wieder zurück nach Cochabamba gefahren. Wenn ich von wir spreche, meine ich in diesem Fall eine bzw. mehrere Gruppen deutscher Freiwilliger, mit denen ich durch Oruro gezogen bin.

Der Umzug in dieser Stadt, die übrigens ausschließlich dafür bekannt ist, beginnt samstags um 10 Uhr morgens und geht die ganze Nacht. Tänzer*innen und Musikgruppen in traditioneller Kleidung reihen sich dabei hintereinander und laufen einmal durch die ganze Stadt. Überall am Rand dieses Weges sind große Tribünen aufgebaut, von denen das Publikum jubelt. Ein Sitz auf einer dieser Tribünen kostet zwischen 35 und 100 Euro. Um Geld zu sparen, haben wir uns aber einfach am Rand des Weges hingesetzt. Das ist eh viel praktischer, weil wir dadurch in den kleinen Pausen, die zum Teil zwischen den Gruppen entstanden, bei der Wasser- und Schaum-Schlacht mitmachen konnten. Das ist eine meiner Lieblingstraditionen hier. An jeder Ecke wird zu Karneval Schaum in Sprühdosen verkauft, mit denen sich alle gegenseitig besprühen. Auch als es abends angefangen hat zu schütten, wurde der Schaum nicht weniger, genauso wie die Wasserbomben.

Drei Freiwillige konnten sich in letzter Minute tatsächlich noch ein Zimmer ergattern, in dem wir uns zwischendurch wieder ein wenig aufwärmen konnten. Am imposantesten wurde es nachts, als die Stimmung bei allen richtig gut wurde. Nicht nur auf der Straße, sondern auch auf den Tribünen wurde dann getanzt. Nach Oruro war der Karneval aber noch nicht vorbei. Gleich am nächsten Wochenende ging es in Cochabamba weiter. Zwar war der Umzug bei Weitem nicht so groß, die Stimmung war trotzdem mindestens so gut wie in Oruro. Hier war der Regen abends aber leider noch deutlich heftiger, was sehr schnell unangenehm wurde.

Trotzdem hatte ich eine sehr gute Zeit in beiden Städten und werde dieses Erlebnis niemals vergessen.

Ich hoffe euch geht es allen gut im fernen Deutschland.

Adiós y hasta luego,

Emma

Emma und Fiona beim Karneval in Oruro.
Emma (l.) und Fiona beim Karneval in Oruro.
Emma spielt mit zwei Kindern im Projekt.
Emma spielt mit zwei Kindern im Projekt.
Die Freiwilligen beim Zwischenseminar.
Die Freiwilligen beim Zwischenseminar.