MaZ: Wurzeln Geschlagen in Argentinien

Für Pia F. ist der Einsatz als Missionarin auf Zeit vorbei. In diesem Rundbrief blickt sie auf dieses ereignisreiche Jahr zurück und erklärt, warum es nur eine Frage der Betrachtung ist, ob sie Fernweh oder Vorfreude auf ein Wiedersehen haben wird.

Gerade finde ich endlich etwas Zeit, um Euch noch einmal zu schreiben. Vor knapp zwei Wochen habe ich mich in Posadas, Misiones, verabschiedet - seitdem bin ich mit meinen Eltern hier in Argentinien unterwegs und spüre, dass ich mich jeden Tag etwas mehr von diesem Land, den Menschen und meinem Jahr als MaZlerin verabschiede. Wobei ich glaube, dass man sein Leben lang MaZ bleibt, da solche Erfahrungen, die man in diesem Jahr sammelt, die eigene Form zu denken und dann auch zu handeln und zu leben, deutlich beeinflusst. Häufig wird mir erst in Gesprächen mit meinen Eltern klar, dass ich dieses Jahr doch weit weg von Deutschland war. Da kommt dann das ein oder andere „Häh, das habe ich ja gar nicht mitbekommen“. 

Nun bin ich am Ende meines Aufenthaltes in Argentinien angekommen, reflektiere und schaue auf die Monate und Tage, die ich in diesem Land gelebt habe: Ein Land, eine Kultur, viele Menschen, die ich wirklich liebgewonnen habe. Eine Gemeinschaft, die mir fern von meinem Ursprung ein zweites Zuhause, Wurzeln gegeben hat. Dabei möchte ich den Menschen, die Teil meines Weges sind und waren, danken. Vor allem Schwester Olivia Dresch, meiner Mentorin und auch Mitbewohnerin in der Kommunität Betania, in der ich ein Jahr leben durfte. Genauso für die Begleitung von Deutschland aus durch Schwester Bettina Rupp und Magdalena Beier, die mich nicht nur gut vorbereitet, sondern mir auch während meines Jahres guten Rückhalt gegeben haben. Ich möchte auch Gott für dieses Jahr danken, dass er mich auf den Weg geschickt und mir all diese Erfahrungen geschenkt hat, sodass ich ein Jahr gelebt habe, welches so anders war als meine vorherigen Lebensjahre. 

Wenn ich auf meine ersten Schritte hier in Argentinien schaue, dann kommt mir meine Ankunft in den Kopf - der Busterminal, der Regen. Meine erste Chipa (das traditionelle Gebäck aus Maisstärke), die ich im Bus auf dem Weg zwischen der Grenze von Paraguay nach Argentinien gegessen habe. Meine Ankunft in der Quinta, wo die Schwestern leben. Viele Momente und Erfahrungen kommen hoch, viele Gefühle, die zeigen, wie sehr ich doch hier angekommen und in die Kultur eingetaucht bin. In meinen ersten Monaten hatte ich das Gefühl, dass ich jeden Tag eine neue Erfahrung gemacht und immer eine neue Herausforderung angenommen habe. Manchmal eine große, wie die Sprache zu lernen oder das erste Mal, dass ich einem Mädchen im Hogar, dem Kinderheim bei den Hausaufgaben helfen konnte und manchmal eine kleinere, wie mein erster Kochtag in der Kommunität der Schwestern. In den letzten Monaten hat sich so etwas wie ein Alltag gebildet - eine Vertrautheit.  Ein großer Teil meines Lebens hier waren meine Projekte: Der Kindergarten, die Schule “Don Bosco”, der Hogar Tuparenda und meine pastoralen Aktivitäten in der Gemeinde “San Miguel”. Ich bin sehr dankbar dafür, dass mich die Menschen aufgenommen, mir einen Platz gegeben und mir vertraut haben.  Ich hatte das Gefühl immer etwas mehr anzukommen - nicht nur mehr zu verstehen, durch das Erlernen der Sprache, sondern auch mehr mitzuleben - in der Kommunität, in meinen Projekten in der Gemeinde San Miguel mit den Kindern und Jugendlichen.

Häufig konnte ich ein paar Hürden und Herausforderungen nehmen - nicht nur, dass ich die Angst vor Hunden verloren habe (bei den Straßenhunden, die man hier immer und überall trifft ist dies wirklich von Vorteil), sondern auch viel lernen durfte: Sprechen vor vielen Menschen, auf Leute zugehen, zu lernen einfach mitzumachen… Es gab irgendwie immer jemanden um mich herum, der oder die mir geholfen hat, Mitmenschen, die Geduld hatten (nicht nur die Jugendlichen, die mir in der Jugendgruppe gerne drei Mal ein Spiel erklärten, bis ich es dann auch verstanden hatte).

Ich hoffe, dass ich für mich viel aus diesem Jahr mitnehmen kann nach Deutschland, in die europäische, deutsche Kultur. Dass ich auch das Wort „tranquilo“ (langsam, ruhig) mir häufiger als guten Vorsatz nehme. Über das Jahr ist für mich eine zweite Familie, in Posadas, gewachsen - die mich auch über die Distanz weiter begleitet, mit der ich im Kontakt bin, die mich gut kennen und die mir Rückhalt gibt. Was für ein Geschenk! Nun weiß ich, dass die Welt in vielen Dingen sehr groß und weit ist, aber genauso in anderen Dingen sehr klein und nah. Ein Freund von hier hat zu mir gesagt, dass jeder Schritt, den ich mich von Posadas entferne auch ein Schritt auf das Wiedersehen hin ist - das klingt für mich wie ein guter Vorsatz und verändert das Heimweh nach Argentinien und Posadas doch schon fast wieder in Vorfreude - oder nicht?

Danke an Euch für die Antworten auf meine Rundmails - es war immer wieder schön, von Euch zu hören und zu lesen, auch, wenn ich ab und an etwas Zeit gebraucht habe, um zu antworten. Ich freue mich schon darauf, einige von Euch wieder zusehen, mich auszutauschen und wenn ein „Häh, das habe ich ja gar nicht mitbekommen!“ zu schönen Gesprächen führt.  Ausgerüstet mit so einigen Matebechern, Yerbamate (den Matetee), Rezepten aus der regionalen Küche und Dulce de leche (die Karamellcreme, die man hier so gerne isst, wie Nutella in Deutschland) mache ich mich nun auf und gehe einen weiteren Schritt - zurück nach Europa und fühle mich gut gerüstet gegen das Heimweh nach Posadas. 

Ich bin glücklich, dass ich vor knapp zwei Jahren die Entscheidung getroffen habe, solch einen Auslandsdienst zu machen und möchte euch allen danken, die mich unterstützt haben! Vor allem meinen Eltern und meiner Familie.

Bis bald - nos vemos! (wir sehen uns)  
Eure Pia