MaZ: Gastopas 90. Geburtstag

In meinen ersten drei Wochen hier habe ich in einer Gastfamilie in Cochabamba, einer Großstadt Boliviens, gewohnt. Und am 4.September werde ich gemeinsam mit Luisa, meiner Mit-MaZlerin, nach Sopachuy aufbrechen, einem Dorf im Süden Boliviens, in dem wir den Rest des Jahres mitarbeiten, mitleben und mitbeten werden. Dort werde ich in einem "Comedor" arbeiten (eine Mischung zwischen Schule und Internat).

Zu meinen Aufgaben zählen schon bald: die Hausaufgabenbetreuung, helfen zu kochen, mit den Kindern ihre Freizeit zu gestalten sowie einige von ihnen ins Bett zu bringen. Ich kann es kaum erwarten, endlich dort anzukommen, mich einzuleben und mitanzupacken.

Während meiner ersten drei Wochen in Cochabamba habe ich eine Sprachschule besucht. Diese lag glücklicherweise in meinem Viertel, weswegen ich nur einen Schulweg von circa drei Minuten hatte. Ich kann nun schon nach den ersten Wochen sagen, dass mir die Sprachschule wirklich sehr viel hilft. Zwar bin ich immer noch etwas zurückhaltend gegenüber den offenen Bolivianern in der Stadt, aber je sicherer ich mir mit meiner Sprache werde, desto besser funktioniert auch das Kennenlernen. Und ich bin zuversichtlich, dass ich, wenn ich jeden Tag weiterhin Vokabeln und Grammatik pauke, auch in Sopachuy zurechtkommen werde. (Dann heißt es allerdings: "Selbst ist die Frau!")

Ich habe mir den Anfang hier tatsächlich etwas schwieriger vorgestellt, aber vielleicht befinde ich mich auch noch in einer Phase, in der mir das Ganze noch nicht wirklich bewusst ist. Jedoch steuert meine Gastfamilie sehr viel dazu bei, dass ich mich hier richtig wohl fühlen kann. Sie alle geben nicht sofort auf, wenn ich etwas nicht verstanden habe, und kitzeln von Tag zu Tag neue Informationen aus mir heraus. Marcela nimmt mich sogar mit zu allen anstehenden Geburtstagen, zum Einkaufen und hat mir auch schon ihren Kleinen anvertraut, als sie morgens arbeiten musste und ich erst nachmittags Sprachschule hatte.
Ich würde fast sagen, ich bin ein kleiner Teil ihrer Familie geworden, zumindest gibt sie mir das Gefühl. Genau diese Geborgenheit, die ich hier erfahren darf, hilft mir sehr, nicht ständig daran zu denken, wie sehr ich meine Familie und meine Freunde einige Kilometer entfernt vermisse.

Und was ich bis jetzt erlebt habe? In meiner ersten Zeit hier sind wirklich wahnsinnig viele Eindrücke auf mich eingeprasselt. Ich fange einfach mal mit der äußeren Erscheinung von Cochabamba an:
Hier gibt es massenhaft Verkehr und natürlich genauso viele Abgase. Ich habe zuvor noch nie eine solche Stadt gesehen, die bunt und zugleich sehr "chaotisch" ist (zumindest in meinen Augen). Doch sicherlich haben die Bewohner ein bestimmtes System, welches ich allerdings noch nicht durchschauen konnte. Außerdem gibt es, wie leider in vielen Großstädten, viel Müll und Elend. Diese Lage wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass Bolivien ein sehr armes Land ist. Was mich jedoch am meisten berührt hat, sind die unzähligen Straßenhunde, die einem über den Weg laufen. Kurz und knapp: Das äußere Erscheinungsbild ist nicht sofort ansprechend.
A B E R ! Cochabamba hat auch seine wirklich schönen Seiten und seinen ganz eigenen Charme. Wie so oft im Leben muss man, um diese Dinge zu sehen, einfach nur zweimal hinschauen.
Es gibt hier sehr viele öffentliche Plätze, wie beispielsweise schön angelegte und sehr gepflegte Parkanlagen oder auch kleine Fußballfelder mit Basketballkörben, auf denen die Kinder ihrer Freizeit gemeinsam verbringen. Auch die Menschen hier sind etwas ganz Besonderes. Alle Bolivianer, die ich bis jetzt treffen und kennenlernen durfte, waren wirklich sehr sympathische und offene Menschen.
Eine solche Begegnung war im "Trufi". In einem solchen, der eigentlich zu voll war, habe ich mich neben die Tür quetschen müssen. So "saß" ich genau vor einer Frau, welche wie aus dem Nichts anfing, mit mir zu reden. Obwohl ich selbst gemerkt habe, wie schlecht ich mich in diesem Moment ausgedrückt habe, konnte sie mich verstehen und hatte ein nettes Lächeln auf den Lippen. Es gab mir ein wirklich gutes Gefühl zu wissen, dass spontaner "Smaltalk" keine sprachliche Hürde darstellt. Außerdem gab sie mir direkt Bescheid, als ein Platz hinter mir frei wurde, damit ich nun auch richtig sitzen konnte, worüber ich sehr froh war, denn die Fahrt hat noch weitere 15 Minuten gedauert.
Was ein Trufi ist? Einen Trufi würde ich als eine Mischung zwischen Großraumtaxi und Bus beschreiben. Es gibt verschiedene Nummern der Trufis und jede Nummer fährt eine bestimmte Route. Sie sind sie zwar nur so groß wie ein Großraumtaxi/ein kleiner Transporter, nehmen aber trotzdem mindestens 15 Menschen mit (Weswegen man sich oft zusammenquetschen oder stehen muss). Der komfortable Faktor der Trufis: Sie halten überall dort, wo man gerne aussteigen möchte, und sind sehr günstig.
Zurück zu den Menschen in Bolivien: Auch wenn viele Menschen in Bolivien sehr vorsichtig sind, so sind doch auch genauso viele auch wirklich herzliche und hilfsbereite Menschen.

Ich hatte das große Glück, dass Marcela mich mit auf die Geburtstage ihres Vaters und ihres Großvaters genommen hat. So habe ich hautnah wirklich schöne Eindrücke der Kultur Cochabambas bekommen. Außerdem konnte ich so viele nette Menschen kennenlernen, die mich alle sofort an- und aufgenommen haben. Ich würde sagen, im Großen und Ganzen sind die Familiengeburtstage hier sehr ähnlich, wie ich sie kenne. Es war ein gemütliches Zusammensitzen, mit Geschichtenerzählen, gemeinsam eine Kleinigkeit Trinken, gemeinsam Tanzen und vor allem gemeinsam Lachen. Aber was selbstverständlich nicht fehlen durfte, war das typische Essen: Zur Feier des Tages (90. Geburtstag ihres Großvaters) gab es Zunge. Und natürlich konnte ich mich nicht davor drücken, auch tanzen zu müssen. Dabei wurde ich gekonnt von Felix (dem Vater meiner Gastmutter) rumgewirbelt, was tatsächlich sehr viel Spaß gemacht hat.

Davon abgesehen, dass hier ganz besonders viel Fleisch gegessen wird, ist das Essen sehr lecker. Sicherlich werde ich einige Rezepte mit nach Hause bringen. Ein weiterer unvergesslicher Faktor neben den Menschen und dem Essen ist das Umland bzw. die gesamte Natur an sich. Wenn ich aus dem Haus gehe und die Straße entlang schaue, sehe ich automatisch auf die Berge, die zum Greifen nah scheinen.
Auf einem "kleineren" Berg steht eine Christus-Statue, welche soweit ich weiß, das Wahrzeichen von Cochabamba darstellt. Außerdem ist sie größer als die Statue in Rio. Von der Statue aus hat man einen atemberaubenden Blick auf die gesamte Stadt und umliegenden Berglandschaften.
Ich hatte glücklicherweise schon die Gelegenheit, das Umland Cochabambas etwas erkunden zu können. Und die Natur hier ist unglaublich schön. Aber vor allem ist noch so viel unberührt von Menschenhand, was mir persönlich wahnsinnig gut gefallen hat.

Nun werde ich mich schweren Herzens von meiner Gastfamilie verabschieden und aufmachen nach Sopachuy, um endlich in meinem Projekt anfangen zu können. Meine nächste E-Mail wird wahrscheinlich wieder etwas dauern, denn ich muss mich ja zunächst einmal einleben und Eindrücke sammeln, bevor ich sie euch erzählen kann.

- Lara