Einsetzen für Menschen, die weniger Chancen haben

Nach ihrem Bachelor-Abschluss wollte Joséphine etwas Neues wagen und entschied sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Im Interview mit Magdalena Beier blickt Joséphine auf ihre Zeit als FSJlerin in Frankfurt zurück. 

Wie bist du darauf gekommen, ein FSJ in Frankfurt zu machen?
Es gab letztes Jahr einen Zeitpunkt in meinem Leben, wo ich mir viele Fragen gestellt habe. Ich war gerade am Ende meines Literaturstudiums und ich hätte weiterstudieren können z.B. einen Master machen können. Aber ich wollte etwas wirklich Sinnvolles tun, mich nützlich machen in einem sozialen Bereich. Ich hatte die Sehnsucht, den Wunsch, etwas mit Menschen zu machen, die weniger Chancen in ihrem Leben haben, als sie mir selbst gegeben sind. Dann habe ich P. Gaby aus St. Wendel geschrieben. Bei ihm habe ich Erstkommunion gemacht und er hat den Kontakt zu Sr. Bettina und den Steyler Missionsschwestern hergestellt. Daraufhin habe ich eine Mail an die Schwestern geschrieben, in der ich mich vorgestellt habe. Ich habe gleich eine Rückmeldung bekommen mit vielen verschiedenen Optionen, die ich als Freiwillige in Frankfurt machen kann wie z.B. im KleiCa (Kleidercafé) und Nachtcafé sowie im Kindergarten von St. Aposteln mitarbeiten. Dort gab es eine FSJ-Stelle. Und so bin ich dann Ende November für ein halbes Jahr nach Frankfurt gekommen. 

Wie sah dein FSJ-Alltag aus? 
Morgens nahm ich an der Laudes der Gemeinschaft teil. Das fand ich gut, um den Tag zu beginnen, es gab mir einen Rhythmus für den Tag und wir starteten alle gemeinsam. Selbst wenn es am Anfang nicht so mein Ding war, hatte ich irgendwann den Eindruck, dass ich etwas verpasse, wenn ich nicht bei der Laudes dabei war. Dann frühstückten wir gemeinsam und anschließend ging ich in den Kindergarten, der gleich nebenan ist. Im Kindergarten kamen die Kinder nach und nach an und wir starteten mit einem Morgenkreis. Wir aßen zusammen mit den Kindern, spielten und beschäftigten uns mit den Kindern. Mein Tag im Kindergarten endete bereits um halb vier wegen Corona. Fast jeden Tag bekommen wir Kleiderspenden, die ich dann aussortiert habe, geschaut habe, ob sie fleckig und gut gefaltet sind und ob wir sie in der Boutique anbieten können. Das fand ich sehr spannend und machte mir auch viel Freude. Abends gab es ab und zu mal eine Anbetung mit der Gemeinschaft. Das tat mir gut, um runterzukommen. Danach schlief ich immer gut. 

Was waren für dich besondere Erlebnisse in dem halben Jahr? 
Weihnachten war für mich wunderschön, weil es für mich die Kirche als Ort neu buchstabiert hat. Wir haben ein Festessen in der Kirche gemacht. Das fand ich total überraschend, aber danach habe ich festgestellt, dass die Kirche ein Ort des Lebens ist. Auch das KleiCa ist für mich wunderschön, weil Menschen aus unterschiedlichen Milieus sich unterhalten, Spaß haben, plaudern, Kaffee trinken und sich Kleidung aussuchen. Die Atmosphäre ist unglaublich gut. Die Karwoche war auch besonders für mich. Dort haben wir uns mit dem Gebet beschäftigt und ich habe gelernt, wie man betet. Beten war für mich ehrlich gesagt eher fremd und ich habe davor nicht so viel gebetet. Durch diese Woche habe ich gelernt, wie man auch meditieren kann. Was ich auf jeden Fall mitnehmen werde ist das Bibelteilen, das ich sehr schön finde. Am Sonntagabend trafen wir uns alle im Wohnzimmer und diskutierten über das Evangelium und brachten unsere Impulse ein. Das fand ich sehr bereichernd. Besonders für mich war auch das Ritual der Sonntagsbegrüßung am Samstagabend. Dort gab es immer die Gelegenheit, auf die Woche zurückzublicken und zu sagen, wofür ich dankbar bin und welche Ereignisse in der Woche passiert waren. Diese Dankbarkeit werde ich auf jeden Fall mitnehmen, da ich finde, dass man im Leben oftmals nicht genug dankbar ist. 

Mitleben bei den Schwestern – was war für dich besonders auch während der Coronazeit?
Ich finde an der Gemeinschaft total schön, dass es trotz Corona eine gewisse Leichtigkeit im Alltag gab. Wir fanden immer gute Anlässe, um zusammen zu feiern oder ein gemütliches Essen zu haben. Hier gibt es auch immer viel zu tun. Eigentlich hat man den Eindruck, dass man mit Corona nicht viel machen kann, aber hier gibt es viele, viele Möglichkeiten sich zu beschäftigen, die sehr sinnvoll sind. Sowohl im KleiCa als auch im Nachtcafé. Man hat das Gefühl, dass man nützlich ist für andere Leute und es auch gegenseitig ist. Am liebsten unterhalte ich mich mit Menschen z.B. im KleiCa. Ich mag es, die Menschen bei der Kleiderauswahl zu beraten und mit ihnen so ins Gespräch zu kommen. Es ist eine gemütliche Atmosphäre und ich habe den Eindruck, dass die Menschen in dem Moment glücklich sind.  

Rückblickend auf das halbe Jahr – wie schaust du drauf oder was ist dein Resümee? 
Es war eine sehr gute Zeit und ich bin sehr dankbar dafür. Im Kindergarten fand ich es toll, dass die Gruppen altersgemischt waren. Man sieht, dass die Älteren den Jüngeren helfen und sich dadurch verantwortlich fühlen. Wir übertragen den Kindern bereits Verantwortung und das finde ich sehr spannend und gut. Die Kinder im Alter von sechs Jahren stellen sich viele existenzielle Fragen über Leben und Tod und sind auch sehr neugierig. Das finde ich sehr spannend und es bringt mich zum Nachdenken. Der Kindergarten ist für mich auch ein gutes Beispiel für ein gutes Zusammenleben. Die Kinder kommen alle aus verschiedensten sozialen Milieus und haben keine Vorurteile gegenüber den anderen Kindern, auch wenn diese z.B. Einschränkungen haben. Ich denke, dass wir Erwachsenen manchmal daraus lernen sollten, indem wir uns gegenseitig mehr respektieren sollten. In der Gemeinschaft habe ich gelernt, dass das Leben weiter geht, trotz Corona. In der Coronazeit kann man noch mehr machen für Menschen, die ausgegrenzt sind, die am Rande der Gesellschaft sind. Man kann sich wirklich nützlich machen und sich gegenseitig helfen. Und das ist eigentlich wunderschön. Man kann vieles tun, um die Welt ein Stück weit besser zu machen und die Gesellschaft gerechter. 

Wie sehen deine Zukunftspläne aus? 
Ich kann sagen, dass dieses FSJ mich sehr geprägt hat, auch in dem Sinn, dass ich jetzt Soziale Arbeit studieren möchte. Ich habe hier festgestellt, dass es was für mich sein könnte. Soziale Arbeit finde ich sehr passend und unglaublich schön, weil man wirklich viel tun kann, z.B. für Kinder oder für geflüchtete Menschen. Da unsere Gesellschaft im Moment ein wenig in der Krise ist, ist es noch nützlicher, Soziale Arbeit zu studieren und für mich sinnvoller. Die Erziehung der Kinder ist nun noch wichtiger als vor der Coronazeit. In manchen Ländern wird die Armut wachsen und es werden wahrscheinlich noch mehr Menschen auf der Flucht sein und nach Europa kommen und wir müssen den Schlüssel finden, wie man sie in die Gesellschaft gut integrieren kann. Dabei möchte ich mithelfen und finde das Studium der Sozialen Arbeit sehr passend.  

Weitere Eindrücke gibst es in einem Video, das die Zeit von Josephine als FSJlerin zusammenfasst. Hier geht's zum Video