MaZ-Mitlebezeit: Den Horizont erweitert

Für knapp zwei Wochen tauschte Alena den Alltag mit ihrer Familie in Berlin gegen ein Leben mit den Steyler Missionsschwestern in Frankfurt. Wie die junge Missionarin auf Zeit ihre Mitlebezeit empfunden hat, lest ihr hier. 

Alena (rechts) half auch an der Schwestern Pommesbude

Um es gleich vorwegzusagen, es war eine unglaublich bereichernde Zeit. Als ich am vorletzten Abend alle Segensmomente aufschreiben sollte, hätte ich zehn statt einer Postkarte gebraucht. 

Die Arbeit im Franziskustreff und im KleiCa haben mich unglaublich viel gelehrt. Der Franziskustreff ist eine Einrichtung, bei der bedürftige Personen jeden Morgen für 50 Cent ein reichhaltiges Frühstück bekommen. Der Franziskustreff läuft zu 100 Prozent auf Spendenbasis und fast alle Mitarbeitenden, die das Frühstück vorbereiten und ausschenken, sind Ehrenamtliche. 

Ich wurde am ersten Tag richtig ins kalte Wasser geschmissen und habe direkt die Aufgaben mit dem meisten Kontakt zu Bedürftigen zugeteilt bekommen. Da stand ich also, mit meiner Kaffeekanne vor dem Tresen, und vor mir strömten Menschen unterschiedlichster Art auf ihre Plätze. Unterschiedliche Gesichter blickten mich an und ich roch die unterschiedlichsten Gerüche. Nach einem tiefen Durchatmen bin ich dann auf den ersten Menschen am Tisch zugegangen. „Guten Morgen! Möchten Sie einen Schluck Kaffee haben? " Auf Menschen, auf die ich vorher von oben herabschaute und an denen ich am Straßenrand vorbeiging.  Genau diese Menschen saßen nun hier und ich war gezwungen ihnen in die Augen zu sehen und sie zu bedienen.

Aber bereits am zweiten Tag war das Eis gebrochen und ich fing an, den Menschen hinter der Fassade von Armut und Obdachlosigkeit zu sehen. Es ist erschreckend, dass es mich überrascht hat zu sehen, dass diese Menschen genauso Macken und Träume und Fähigkeiten und Talente haben, wie alle anderen Menschen auch. Obdachlosigkeit stigmatisiert unglaublich. 

Von da an machte mir auch das frühe Losfahren zur Arbeit, um 6 Uhr, nichts mehr aus, denn ich wusste, wofür ich es tat. Jeden Morgen, den ich im Franziskustreff arbeitete, trank ich mit den Mitarbeitenden einen Kaffee bevor es losging. Da es sich für die zwei Wochen nicht lohnte, ein neues Namensschild zum Markieren der Tassen der Mitarbeitenden mit „Alena" drauf herzustellen, hießen meine Kaffeetasse und ich für diese Zeit „Frank 1". Mein Chef sprach mich seit dem ersten Tag auch mit keinem anderen Namen mehr an. Ich bin so froh, hinter die Kulissen geblickt haben zu dürfen, denn aus dem gezwungenen Lächeln einem Menschen am Straßenrand ist nun ein ehrliches freundliches Anlächeln geworden und ich habe gelernt, dass manchmal auch einfach das reicht. 

Nicht nur über Obdachlosigkeit lernte ich viel, auch über Altersarmut. Mit einer Frau, die jeden Morgen adrett gekleidet mit ihrer Begleitung erschien, verstand ich mich besonders gut. Sie erzählte mir von ihrer Arbeit, die sie von Paris über Berlin nach London gebracht hatte; und schließlich hierher. Dass ein Mensch, der einen Beruf gelernt und das ganze Leben lang in diesem gearbeitet hat, eine Akademikerin, nun aufgrund von Altersarmut, weil die Rente nicht ausreichend ist, Angebote wie den Franziskustreff in Anspruch nehmen muss, ist ein Unding. 

Auch das Zusammenleben mit den Schwestern war eine riesige Bereicherung. Ich lebe mit meiner Familie zusammen und wir sind eine großartige Gemeinschaft, aber die in Frankfurt hatte ein ganz anderes Flair. Auf einmal war es wichtig, dass ich das Essen, was auf den Tisch kam, wirklich in Gänze aß und mir nicht noch vegane Alternativen dazu kochte. Meinen Veganismus für zwei Wochen abzulegen, war eine echte Herausforderung, der ich nicht nur Gutes abringen kann. Trotzdem war es eine spannende Erfahrung, denn zuletzt vorgeschrieben, was ich zu essen habe, wurde mir in der Grundschule. 

Vor allem aber prägte die Zeit in der Kommunität das Gefühl des „Zählens“. Ich zähle, meine Meinung zählt und wir versuchen einen Weg zu finden, dass alle Meinungen berücksichtigt werden. Dafür muss man seine Meinung des Öfteren zurückstecken, den Teil fand ich nicht so prickelnd, denn normalerweise ist die freie Entscheidung über das, was ich esse, eine Selbstverständlichkeit in meiner individualistischen Familie. Das Essen war trotzdem sehr lecker. Ich bekam auf eine ganz neue Art und Weise das Gefühl, ein wichtiger Teil einer Gemeinschaft zu sein. Wir waren füreinander da und ich habe eine neue Welt mit neuen Riten und ganz viel Beten erfahren dürfen. 

Als dann in den letzten Tagen noch die zurückgekehrten MaZler*innen zum Seminar kamen, hatte ich nochmal die Möglichkeit, mit vielen interessanten Menschen über das MaZsein zu sprechen. Sich über die unterschiedlichen Beweggründe, warum es einen zur Mission zieht, auszutauschen, ist eine so schöne Erfahrung, weil viele Außenstehende, Freund*innen und Familienmitglieder das Ganze einfach nicht so richtig verstehen können. Einfach, weil man die Vorbereitung am eigenen Leib erfahren muss. 

Beim Abschied von den Schwestern und vom Franziskustreff wurde ich ziemlich melancholisch, auch wenn ich nur zwei Wochen da war. Es ist echt furchtbar so kurz vor der Ausreise noch so viele tolle Menschen kennenzulernen, von denen man sich direkt wieder verabschieden muss. Mit der adrett gekleideten weißhaarigen Frau habe ich mich für dort im Franziskustreff in einem Jahr verabredet. Das Namensschild mit "Frank 1" durfte ich behalten, da dieser Mitarbeitende nicht mehr dort tätig ist. 

Was in zwei Wochen an Horizonterweiterung und Lernen und Wachsen möglich ist, hätte ich nie gedacht, aber die Mitlebezeit macht es möglich.

Alena

Ein Kuchen für die zurückgekehrten MaZler*innen
Alena in der Frankfurter Kommunität