MaZ: Zwischen Communityleben und Deutschunterricht

Benjamin ist im September zu seinem MaZ-Einsatz nach Athen aufgebrochen. In seinem Rundbrief schildert er seine ersten Eindrücke. 

Benjamin (2.v.r.) mit der Community der Steyler Schwestern und den anderen Freiwilligen

Griechenland ist aufgrund seiner geografischen Lage in der Vergangenheit stark von der weltweiten Flüchtlingsbewegung betroffen gewesen. Laut UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) erreichten im Jahre 2015 über 860.000 Flüchtlinge Griechenland. Aufgrund der Corona-Pandemie, geschlossener Grenzen und starker Kontrolle der Grenzübergänge sowie einem Wandel in der Flüchtlingspolitik, ist die Flüchtlingsbewegung nach Griechenland in den letzten Jahren deutlich gesunken. Seit Beginn dieses Jahres sind 6.600 Flüchtlinge über den Land- und den Wasserweg nach Griechenland gekommen. 

Καλημέρα! Seit eineinhalb Monaten wohne und arbeite ich nun in der griechischen Hauptstadt. Ich lebe im dritten Flur eines Mehrfamilienhauses in einer ärmlichen Gegend im Zentrum von Athen. Mein „Mitleben“ gestaltet sich in einer Community, bestehend aus vier anderen Freiwilligen und drei Steyler Schwestern. Ich habe ein eigenes kleines Zimmer; das Bad teile ich mir mit einem weiteren Freiwilligen und die Küche wird von allen gemeinsam genutzt. Die Schwestern besitzen eine eigene Küche und häufig werden wir von ihnen zu einem Tee oder einem gemeinsamen Essen eingeladen. 

Unser Zusammenleben ist von einer besonderen kulturellen Vielfalt geprägt, da wir alle in unterschiedlichen Kulturen sozialisiert sind. Hier treffen unterschiedliche kulinarische Vorlieben, verschiedene Musikvorlieben und diverse Sprachen und Dialekte aufeinander. Doch genau diese Pluralität macht unser Zusammenleben so einzigartig und ich genieße und schätze es sehr! Ich erhalte dadurch einen kleinen Einblick in viele mir unbekannte Kulturen. Kommuniziert wird in der Community und auf der Arbeit auf Englisch. 

Das Leben in einer Großstadt ist für mich manchmal noch eine Hürde. Ich habe mich sehr schnell an den Lärm und an die vielen Leute gewöhnt, die tagtäglich in so einer großen Stadt um einen herum sind, aber die schlechte Luft und die fehlende Natur sind schon zu bedauern. Mit den anderen Freiwilligen und den Schwestern verbringe ich viel und gerne Zeit. Glücklicherweise sind wir Freiwilligen zum gleichen Zeitpunkt in Athen angekommen. So konnten wir gemeinsam die Stadt erkunden und haben Ausflüge auf eine Insel, an verschiedene Strände und Sehenswürdigkeiten außerhalb von Athen gemacht. Auch Zuhause genießen wir gemeinsam die Zeit. Feiern, Tanz-, Film- und Karaoke-Abende sowie gemütliches Beisammensitzen kommen hier nicht zu kurz. 

Von Montag bis Freitag arbeite ich für die internationale Hilfsorganisation JRS (Jesuit Refugee Service). JRS Greece wurde 2015 als Reaktion auf die rasant steigende Anzahl an geflüchteten Menschen gegründet. Um die soziale Eingliederung und Integration von Flüchtlingen in Griechenland zu fördern, engagiert sich der JRS in Projekten, die die Menschen vom Moment ihrer Ankunft an unterstützen und sie auf dem Weg zur Selbstständigkeit und vollen Teilhabe an der Gesellschaft in ihrer neuen Heimat begleiten. Als Freiwillige*r arbeitet man in vielen dieser Projekte mit. Jeden Freitag ist ein Meeting, in dem der Arbeitsplan für die nächste Woche besprochen wird. Zudem finden einmal im Monat individuelle Gespräche mit unserer Direktorin und Meetings mit allen Mitarbeitenden aus den Projekten statt. Außerdem gibt es ein wöchentliches Meeting für die Freiwilligen, um über Probleme, Fragen oder spannende Themen wie Traumata oder die Flüchtlingspolitik in Griechenland zu reden. 

Eines der vielen Projekte, in dem ich mitarbeite, ist die Bildungseinrichtung „Magiestories“. Der Name setzt sich aus den zwei Worten „Magis“ und „Stories“ zusammen. „Magis“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „das Größte“ oder „mehr“. Es bezieht sich auf die Idee, mehr für andere zu tun, für Christus. Jeder Mensch hat eine Geschichte oder eine „Story“ zu erzählen. Jedes Leben ist eine „Story“. Fügt man die beiden Wörter zusammen, so will man damit zum Ausdruck bringen, dass wir zum Besten der Geschichte eines jeden Menschen beitragen und ihm helfen werden, sein Bestes zu geben, so wie auch wir unser Bestes tun. 

Mitlernen darf hier jeder, der das Mindestalter von sechs Jahren überschritten hat und geimpft oder getestet ist. Da Kinder unter zwölf Jahren noch nicht geimpft sein können, finden diese Kurse unter freiem Himmel statt. Für die restlichen Kurse stehen zwei gutausgestatte Klassenräume zur Verfügung. Zurzeit werden Englisch, Griechisch, Deutsch, Französisch, Mathematik sowie Computerkurse und Kreativitätskurse angeboten, indem sich die Kinder künstlerisch ausleben können. Die Kurse sind getrennt nach Alter (Kinder, Jugendliche, Erwachsene) und Wissen (Basic, Level 1, Level 2). Die meisten Kurse werden von den Freiwilligen und den Schwestern geleitet. Somit verändert sich das Angebot an Kursen abhängig von der Anzahl und der Fähigkeiten der Freiwilligen. 

Ich gebe einen Mathematikkurs für Kinder und einen Basic-Deutschkurs für Erwachsene. Das Unterrichten macht mir viel Spaß, es haben mich aber auch unerwartete Hürden erwartet. In meinem Deutschkurs habe ich zu Beginn acht Geflüchtete unterrichtet. Hiermit war mein Deutschkurs voll belegt, da aufgrund der Corona-Pandemie die Teilnehmer*innenplätze stark begrenzt sind. Für mich hat dies jedoch auch den Vorteil gebracht, dass ich den Unterricht deutlich individueller gestalten konnte. Dies ist auch essenziell, da die Bildungsunterschiede zwischen den Lernenden gravierend sein können. In einer Klasse sitzen Schüler*innen, die studiert haben, sehr gut Englisch sprechen und eine gute Bildung genossen haben, gemeinsam mit Schüler*innen, die kein Englisch sprechen oder das lateinische Alphabet können. 

Doch eine Sache haben alle meine Schüler*innen gemeinsam: eine unglaubliche Motivation, diese schwere Sprache zu lernen. Egal wie viele Hausaufgaben ich vorbereite, ich kann mir sicher sein, dass zur nächsten Stunde alle Aufgaben ausführlich erledigt worden sind und jede Vokabel sitzt. Durch dieses Engagement meiner Schüler*innen machen die Unterrichtsstunden und die Vorbereitung auf diese noch mehr Spaß und ich kann von Woche zu Woche einen weiteren Fortschritt erkennen. Leider mussten drei meiner Schüler*innen meinen Deutschkurs verlassen, da sie eine Arbeit gefunden oder Probleme bezüglich ihrer Aufenthaltsgenehmigung hatten. 

Mein Mitbeten gestaltet sich in zwei internen Messen der Jesuiten dienstags und freitags sowie in einem Gottesdienst am Sonntag in einer der vielen Kirchen von Athen. Optional können die Freiwilligen auch an den täglichen Gebetszeiten der Steyler Schwestern teilnehmen. Ich bin sehr dankbar über die vielen Erfahrungen, die ich hier sammeln darf und bin schon sehr gespannt auf alle weiteren Erlebnisse, die noch auf mich warten. 

Benjamin G.
 

Benjamin beim Deutschunterricht