MaZ: Die 4. MaZ-Säule MIT-Wachsen

Kurz vor ihrer Rückreise nach Deutschland blickt Alena auf ihren MaZ-Einsatz in Dublin/Irland zurück und erklärt, was in den vergangenen Monaten alles gewachsen ist.

Alena hilft in der Küche einer Obdachlosenunterkunft

Seit Anfang Oktober letzten Jahres lebe ich nun in Irland mit Schwestern zusammen, bete mit ihnen und arbeite in vielen verschiedenen Projekten. Je länger ich hier in Dublin und in den Projekten bin, desto mehr wachsen mir die Menschen ans Herz und desto mehr Möglichkeiten eröffnen sich mir auch. Jedes Projekt, an dem du teilnimmst, verändert dich, aber du veränderst es auch ein Stück weit, ob du willst oder nicht.

Da der Name Alena vielen Menschen in den Projekten oder in der Kommunität Schwierigkeiten bereitet, habe ich nun viele Spitznamen. Teilweise sind es ungewollte Versprecher wie Alannah (ein typisch irischer Name), Alina oder Anlima (eine Frau, die vor mir in der Kommunität gewohnt hat). Andere Spitznamen sind ziemlich kreativ wie „Chicken“, „Princessy“, „Macarena“ oder einfach „German girl!“ Wenn es etwas gibt, was ich recht schnell gelernt habe, dann ist es, niemals der Wettervorhersage in Irland zu vertrauen - das Wetter macht sowieso was es will – und auf viele Namen zu hören. Im Prinzip hebe ich bei jedem Rufen den Kopf, bei dem ich irgendwie hätte gemeint sein können.

Nicht nur meine Namensvielfalt wächst, auch meine Aufgabenbereiche. In dem Charity Shop St. Vincent’s de Pau,l in dem ich jeden Montag arbeite, sortiere ich nun nicht mehr nur oder höre Menschen mit Redebedarf zu, sondern bestimme nun auch (mit), welche Kleidung auf die Shopfläche darf und darf den Preis festlegen. Jetzt weiß ich auch endlich, woher diese nervigen durchsichtigen, kurzen Plastikschnüre mit den Verdickungen an beiden Enden herkommen, die das Preisschild am Stoffetikett der Kleidung befestigen! (Das war mein persönlicher Aha-Moment) Ich meine die, die du beim Abreißen des Preisschildes manchmal super einfach kaputtkriegst, manchmal auch ewig daran herumzerrst. Die werden mit einer Pistole durchgeschossen, was eine meiner Lieblingsaufgaben am Montagmorgen ist, wenn ich noch halb schlafe.

Auch wenn ich nur einen Tag in der Woche dort arbeite, sehe ich doch mit fortschreitender Zeit immer wieder dieselben Gesichter und höre immer wieder dieselben Geschichten der Menschen. Das kann manchmal etwas eintönig sein, gibt mir aber auch das Gefühl, so richtig in dem Land und bei den Menschen angekommen zu sein. Ich bin eben ein deutsches Kind der Routine. Den schrecklich dicken Norddubliner Akzent meiner Kolleg*innen verstehe ich auch immer besser. Deutsch ist ja auch in Deutschland nicht immer gleich: Eine Nordfriesin hat erhebliche Kommunikationsprobleme mit einem Bayer und Menschen aus Köln mit Berliner*innen auch. Genauso ist das auch in Irland mit dem Englisch: Je nachdem, wo du bist, hört es sich manchmal so an, als wäre es eine andere Sprache. Inzwischen kann ich sogar heraushören, ob eine Person aus Nord- oder aus Süddublin kommt oder kann grob den County (Bundesland) nennen. Das hat aber auch sehr lange gebraucht – mein Sprachverständnis wächst munter. Da ich in dem Charity Shop freiwillig arbeite, meine Kolleg*innen mir aber mit Nachdruck etwas Materielles mitgeben wollen, ich als Mitarbeiterin sehr viel Rabatt bekomme und Second-Hand-Kleidung super nachhaltig ist, wächst leider auch mein Kleiderschrank. Mehr, als mir lieb ist.

Von jedem Projekt zu berichten, würde hier den Rahmen sprengen, aber von einem möchte ich noch erzählen. In der Obdachlosenunterkunft arbeite ich nun auch mehr. Jeden Donnerstagmorgen gehe ich zuerst in die Küche und helfe beim Frühstück und bei den Vorbereitungen fürs Mittagessen, gebe dann meinen Malkurs/Kunsttherapie und gehe später wieder in die Küche, um beim Mittagessen und bei den Dinner Vorbereitungen zu helfen. Die Arbeit in der Küche ist nicht nur toll, weil ich viel Zeit mit leckerem Essen verbringe, sondern auch, weil die Küche so viele Menschen verbindet. Die menschliche Natur verpflichtet uns zu einer regelmäßigen Nahrungsaufnahme, weshalb du früher oder später jeden Menschen im Speisesaal anfindest. Die Köchinnen kennen jeden einzelnen Menschen und deren genaue Essensvorlieben, ob Mitglied des Teams oder Obdachlose*r. So wird für die eine immer der Knust (Brotkanten) aufgehoben, während für den anderen immer eine Portion Porridge warmgehalten wird.

Was ich besonders schön finde, ist, dass das Personal das gleiche Essen isst, wie die Bewohner*innen auch und das Küchenpersonal sogar an denselben Tischen und Stühlen. Zwar erst nachdem die Essenszeit der Obdachlosen vorüber ist und nach Reinigung der Tische und Stühle, aber das schafft so ein wunderbares Gefühl von Augenhöhe. Wenigstens beim Essen gibt es keine zwei Klassen, kein besseres Essen für Mitarbeitende oder schlechtere Speiseräume für Bewohner*innen. Zwar werde ich in der Küche mit kaum vegetarischem Essen, von vegan kann gar nicht die Rede sein, und sehr viel Lebensmittelverschwendung konfrontiert, aber das ist ja leider Gottes in jeder Großküche der Fall. Kleine Dinge, wie die Mitverarbeitung des Brokkoli Strunkes oder kleine (nicht von mir angefangene!) Gespräche mit dem Personal über Vegetarismus oder Veganismus kann ich aber schon verändern. Auch bin ich die erste Person, die als Volunteer in dieser Küche arbeitet, also begegnet man mir nochmal mit einer anderen Offenheit. Ich bekomme immer ein zusammengefrickeltes super leckeres vegetarisches Gericht, irische Witze und ganz viel Lachen zurück. So können wir alle aneinander wachsen.

Egal wie oft ich mich in den Regen stelle, ich werde wohl physisch nicht mehr wachsen. Dafür komme ich aber nach meinem Einsatz doppelt so groß an Erfahrungen, neuen Einblicken, Wissen und persönlichem Wachstum wieder.

Ganz liebe Grüße von Alena

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Beim Ausflug mit den Schwestern der Kommunität