MaZ: Kultur des Gebens und der Gastfreundschaft

Josia hatte Anfang 2024 die Chance, seine leiblichen Verwandten auf den Philippinen zu treffen. Von dieser ganz besonderen Zeit und wie er als Veganer in der sehr Fleisch lastigen Kultur zurechtkommt, schreibt er in seinem Rundbrief.

Josia (l.) besucht seine Familie auf Mindoro

Ich lebe mittlerweile über sieben Monate hier und bin in der zweiten Hälfte meines Einsatzes auf den Philippinen angekommen. In der School on Wheels (SOW), in der ich als Lehrer eingesetzt bin, haben wir derzeit zehn bis 15 Kinder, von denen die Hälfte seit Beginn des Schuljahres dabei ist. Zuhause bei Youth with a Mission (YWAM) fühle ich mich derzeit auch sehr wohl und würde so weit gehen, meine Mitbewohner*innen zu meinen Freund*innen zu zählen und sie sogar als Familie zu betrachten.

Eines der Dinge, die mir in der Vorbereitung für den Einsatz etwas Sorgen gemacht hatte, war die Ernährung. Anfang 2023 hatte ich angefangen, mich vegan zu ernähren und habe diesen Lebensstil auch sehr genossen. Jedoch wusste ich, dass eine vegane Ernährung und sogar eine vegetarische Ernährung auf den Philippinen sehr schwierig werden würde. Vor allem, weil ich nicht derjenige bin, der kocht oder Mitspracherecht haben würde. Diese Umstellung habe ich aber trotzdem in Kauf genommen, auch mit dem Wissen, dass ich nach dem Einsatz einfach wieder zurück zur veganen Ernährung gehen könnte.

Und tatsächlich hatte ich keine gesundheitlichen Probleme aufgrund meiner Ernährung hier, es hat meinem Körper nicht geschadet eine so drastische Umstellung durchzumachen. Dennoch fiel und fällt es mir nicht immer leicht Fleisch und Tierprodukte zu essen. Der Geschmack ist da meistens nicht das Problem für mich, aber es nagt an mir zu wissen, dass ich da gerade Fleisch esse. Was das Ganze noch verschlimmert, ist die Tatsache, dass YWAM selbst einige Tiere hält. Derzeit sind es zwölf Schweine und eine immer schwankende Zahl von zehn bis 50 Hühnern, zwischendurch waren aber auch schon eine Ziege und mehrere Truthähne hier. Und gerade letztere waren nur hier, um geschlachtet zu werden.

Ich verstehe, dass Tiere auch eine Einnahmequelle sind, so finanziert mein Zimmergenosse sein Studium durch die Zucht und den Verkauf von den Schweinen und Hühnern, aber ich finde es schwierig, dann diese Tiere zu essen. Ich habe es jetzt mehrmals miterlebt, dass ein Schwein geschlachtet wurde. Anwesend war ich zwar nicht, vor allem, weil ich mir das nicht angucken konnte, aber dann in den nächsten Tagen Schweinefleisch zu essen, von dem ich wusste, woher es kam, war nicht unbedingt einfach. Besonders schwierig war es, als vor ein paar Wochen für einen Geburtstag zuerst ein Schwein und dann zwei Truthähne geschlachtet wurden. Weil ich zu der Zeit draußen war, um ein paar Gartenarbeiten zu machen, habe ich mitbekommen, wie den Truthähnen der Hals aufgeschlitzt wurde und habe dann auch gesehen, wie der leblose Körper entfedert und später geröstet wurde. Es war zwar nicht unbedingt ekelhaft, aber beim Geburtstagsessen habe ich mich dann ganz aktiv gegen den Truthahn oder das Schwein entschieden und konnte aufgrund der großen Auswahl mich auch ausnahmsweise vegan ernähren. Ich sträube mich nicht laut und aktiv gegen den Fleischkonsum, auch aus Respekt vor meinen Gastgeber*innen, aber mit jedem frittierten Hühnchen und jedem Schweinesteak wird meine Entscheidung nach meinem Einsatz mich wieder vegan zu ernähren einfacher und einfacher. Zudem nutze ich hier jede Möglichkeit, Fleisch wegzulassen und wenn ich dann mal woanders esse, suche ich immer nach diesen Alternativen.

Aber gerade in solchen Momenten fällt mir dann auf, dass ich diese Ernährung nur wegen meiner Privilegien durchziehen kann. Es ist hier sehr schwer sich vegan oder auch nur vegetarisch zu ernähren, weil die Preise für frisches Gemüse höher als für frisches Fleisch sind. Zudem ist dieser Lebensstil nicht sehr akzeptiert und es ist nicht sehr einfach diesen Lebensstil gerade in ländlichen Gebieten den Menschen zu erklären. Häufig ist es dann so, dass es auf „Josia liebt Gemüse“ runtergebrochen wird. Trotzdem habe ich auch das Gefühl, dass es meistens eben nur an der fehlenden Information und nicht an der fehlenden Einstellung der Menschen liegt.

Ich hatte in meinem letzten Rundbrief-Beitrag schon erwähnt, dass ich philippinische Wurzeln habe und auch noch entfernte Verwandte von mir hier auf den Philippinen wohnen. Die habe ich Anfang des Jahres besuchen können und hatte dadurch die Möglichkeit, auch diese Seite meiner Familie einmal kennenlernen zu dürfen. Ich konnte dabei aber auch sehen, dass es eben doch noch einen Unterschied zwischen Gastfreundschaft zu fremden Personen und Familienangehörigen gibt. Nach meiner Auffassung ist die Gastfreundschaft ein sehr großer und wichtiger Teil der philippinischen Kultur, vor allem gegenüber Ausländer*innen. Und obwohl diese häufig sehr großzügig ausgelebt wird, habe ich doch einen Unterschied bei meinen Verwandten gespürt. Wenn ich irgendwo zu Gast war, wurde immer danach gesehen, dass ich genügend und am besten noch als Erster etwas zu essen bekomme. Zudem wurde mir dann auch meistens ein guter Sitzplatz angeboten, auch dann, wenn es nur eine begrenzte Anzahl an Stühlen gab. Auch bei YWAM, der Organisation, bei der ich lebe, bekomme ich sehr oft extra Essen obwohl ich so gut wie alles mitesse. Alles in allem wird dafür gesorgt, dass es mir als Gast und als Ausländer an nichts fehlt, auch wenn die Gastgeber*innen dann weniger haben.

Bei meinen Verwandten war das sehr ähnlich, ich wurde überraschenderweise sehr früh nach meinen Essensvorlieben gefragt und als ich meinte, dass ich am liebsten vegetarisch/vegan esse, wurde das gerne angenommen. Auch hier wurde versucht, es mir so angenehm wie möglich zu machen. Aber bei meinen Verwandten kam diese Gastfreundschaft nach meinem Gefühl mehr aus Liebe und weniger aus Verpflichtung. Ich habe nämlich sonst das Gefühl, dass diese Gastfreundschaft hauptsächlich ausgelebt wird, um gut dazustehen, damit ich als Gast das weitererzählen kann und dadurch das Ansehen der Gastgeber*innen steigt. Wenn man nicht so gastfreundlich ist, dann ist man direkt schlechter angesehen in der Gesellschaft. Aber meine Verwandten haben mir das Gefühl gegeben, dass sie diese Dinge für mich und nicht für das eigene Ansehen machen. Die Kultur des Gebens ist hier sehr stark ausgeprägt, aber selten aus der Freude des Gebens und des Füreinanderdaseins, sondern eher aus dem Zwang der Gesellschaft.

Ich habe festgestellt, dass ich mich mittlerweile in die Philippinen verliebt habe. Ich habe mich in die wunderschönen Strände, die Sonnenauf- und -untergänge, die wunderschönen Menschen und ganz besonders in das frische Obst verliebt. Die frischen Mangos, Rambutans, Calamancies, Lanzones und junge Kokosnüsse und frisches Kokosnusswasser sind echt lecker. All das werde ich auf jeden Fall in Deutschland vermissen. Eine Sache ist deswegen für mich jetzt schon klar: Ich werde auf jeden Fall die Philippinen nochmal besuchen, mindestens um meine hier gefunden Freund*innen wiederzusehen.

Josia

Weihnachtsvorstellung in einer Mall, mit Tänzen und einer kurzen Andacht
Straßenevangelisation an der Strandpromenade in Dumaguete
Einer der wunderschönen Sonnenaufgänge