MaZ: Vereinigung zweier Welten

In diesem Rundbrief werde ich von meiner Arbeit und meinem Alltag erzählen. Zusammen mit meiner Mit-MaZ Veronika wohne und arbeite ich in Cebu City, der drittgrößten Stadt des Inselstaates. Genauer gesagt wohnen wir direkt im Projekt – einer kleinen Waldorfschule im Norden der Stadt. Waldorfpädagogik in einem Land wie den Philippinen? Diese Vorstellung war für mich anfangs auch ungewöhnlich doch inzwischen habe ich mich sehr gut in diese Erziehungsform eingewöhnt und freue mich jeden Tag auf die Arbeit.

Mein Tag beginnt um acht Uhr mit der Vorbereitung des Klassenzimmers. In unserer kleinen Schule betreuen wir vor allem Toddler (eineinhalb bis dreieinhalb Jahre), Kindergartenkinder (bis zu ihrem fünften Lebensjahr) und seit letztem Schuljahr auch Grundschulkinder. Zusammen mit einer Hauptlehrerin bin ich für unsere Kleinsten verantwortlich.
Unser Tag beginnt mit einem kurzen Morgengebet und den - anfangs gewöhnungsbedürftigen - eurhythmischen Übungen. Ab 9 Uhr kommen die Kinder, mal mehr, mal weniger, je nach dem, ob sich die Eltern für ein zwei-, drei- oder viertägiges Unterrichtsprogramm entschieden haben. Die Kinder dürfen zunächst im Garten spielen. Dort gibt es ein Baumhaus mit einer Rutsche, mehrere Schaukeln, Klettergerüste und einen Sandkasten. Im Vordergrund steht das freie Spiel. Ab und zu bieten wir Aktivitäten an, beispielsweise das Malen mit Straßenkreiden oder Wasserfarben.
Bevor es in das Klassenzimmer geht, ist es meine Aufgabe, die kleinen Hände und Füße zu waschen. Dann steht der Circle an, ein Sitzkreis mit Klatschspielen und Liedern, gefolgt von täglich wechselnden Snacks. 

Mein Lieblingstag ist Mittwoch. Aan diesem Tag gibt es frische Mangos, die einfach köstlich schmecken. Sobald die Kinder ihre Teller mehr oder weniger eigenhändig abgewaschen haben, dürfen sie weiter spielen und zwar entsprechend der Waldorfpädagogik ausschließlich mit Holzspielzeugen. Außerdem bieten wir den Kleinen fast täglich Aktivitäten wie basteln oder backen an.
Nach dem Spielen sollen die Kinder eigentlich die von ihnen benutzten Gegenstände selber aufräumen, allerdings gehen unsere Vorstellungen von einem ordentlichen Klassenzimmer ziemlich auseinander. Nach einer kurzen Geschichte werden die Kinder auch schon wieder von ihren Eltern oder Kindermädchen abgeholt. Zu Mittag esse ich zusammen mit den anderen Lehrerinnen. Am Nachmittag  bereiten wir den Unterricht für den nächsten Tag vor oder besprechen die weiteren Aktivitäten. Mein Arbeitstag ist meistens um fünf Uhr vorbei.

Da meine Schule eine Privatschule ist, kann es sich nur die sehr privilegierte Oberschicht leisten, ihre Kinder auf unsere Schule zu schicken. Ihr sehr westlicher und luxuriöser Lebensstil entspricht aber nicht der Lebensweise der überwiegenden Mehrheit der philippinischen Bevölkerung.
Durch den Kontakt zu den Steyler Schwestern vor Ort habe ich aber einen Einblick in die andere Seite der Realität bekommen. Seit mehreren Monaten begleite ich jeden Sonntag eine Schwester zum Mealsharing (Essensausgabe) in eine sehr arme Wohngegend. Dort verteilen wir zusammen mit anderen Freiwilligen Essen an knapp 100 Kinder, die mit ihren Familien in sehr einfachen Verhältnissen leben.
Die Freude der Kinder ist einfach unbeschreiblich. Zum Glück spreche ich mittlerweile relativ gut Bisaya, das ist die auf Cebu gesprochene Sprache, und kann ich mit den Kindern einfache Konversationen führen und mit ihnen spielen und scherzen.

Dank Schwester Svitlana, die wir bereits aus Deutschland kannten, haben Veronika und ich nun auch das Balay Samaritano kennen gelernt und dürfen dort im Wechsel mit unserer Arbeit in der Waldorfschule mitarbeiten. Das Balay Samaritano ist ein Tagestreff für Straßenkinder und alte obdachlose Menschen und bietet ihnen die Möglichkeit zu duschen, schlafen, essen und sich auszuruhen. Meine Aufgabe jeden Montag und Dienstag ist es, bei der Zubereitung der Snacks und des Mittagessens zu helfen. Ebenso spiele ich mit den Kindern und helfe ihnen beim Duschen.
Die Zeit mit den Straßenkindern gehört für mich zu meinen schönsten Momenten auf den Philippinen. Ich empfinde eine große Dankbarkeit, dass ich die Möglichkeit habe, hier als MaZ sein zu dürfen.
Über das Balay Samaritano und unsere Arbeit dort hat Veronika schon in ihrem Bericht erzählt. Ich bin sehr froh, dass wir durch unsere beiden sehr unterschiedlichen Projekte einen guten Gesamteindruck von den Philippinen bekommen.

Schon zweimal wurden diese zwei Welten vereint, durch sogenannte Outreachprogramme an der Waldorfschule. An diesen Tagen wurden die Kinder, die in der direkten Nachbarschaft in armen Verhältnissen wohnen, zu uns eingeladen und durften einen Nachmittag lang in der Waldorfschule verbringen. Es gab Snacks, eine Geschichte auf Bisaya und den typischen Waldorfcircle.
Sehr begeistert waren die Kinder von unserem Spielplatz, wo sie sich richtig austoben konnten. Da es hier wenige öffentliche Parks oder Spielplätze gibt, ist das auf jeden Fall etwas Besonderes gewesen.
Am Schluss gab es noch den "Adventspiral", eine aus Ästen gelegte Spirale, in dem jedes Kind einzeln seine Kerze an der Kerze in der Mitte angezündet hat und dann entlang des Weges abstellte. Das geschah mehr oder weniger in Stille. Im Hintergrund wurden Weihnachtslieder auf der Flöte gespielt.
Es hat mich sehr beeindruckt, wie konzentriert und andächtig die mehr als 70 Kinder über eine Stunde bei der Sache waren ohne laut zu werden. Alles in allem war das eine sehr schöne Erfahrung. Anlässlich des Geburtstages unserer Schulleiterin in der letzten Woche haben wir eine ähnliche Feier mit den Kindern aus der Nachbarschaft veranstaltet.

Ich bin unglaublich dankbar für die ganzen vielfältigen Erfahrungen, die ich hier als MaZ machen kann und freue mich auf die nächsten sechs Monate, die vor mir liegen.

- Verena