MaZ: Die Herzlichkeit der Menschen ist ansteckend

Eigentlich sollte Steffi nur vorübergehend nach Portugal, bis ihr Visum für Brasilien vorgelegen hätte. Warum sie nun doch in Lissabon bleibt und auch dort als Missionarin auf Zeit (MaZ) glücklich ist, erzählt sie in ihrem Rundbrief.

Steffi (Mitte) mit anderen Freiwilligen bei einem Vortreffen zum Weltjugendtag, der 2023 in Lissabon stattfinden wird

Meine Reise hätte eigentlich Anfang September nach Brasilien, São Paulo, gehen sollen. Allerdings erfuhr ich ein paar Tage vor dem geplantem Abflug, dass mein Visum leider nicht fertig bearbeitet war und ich deswegen nicht einreisen konnte. Da geplant war, dass ich in Brasilien erst einmal  Spachunterricht in Portugiesisch nehmen sollte, boten mir die Schwesten an, vorübergehend in ihre Kommunität nach Portugal, Lissabon, zu kommen, um dort schon einmal die Spache zu lernen und auch bereits erste Erfahrungen in Projekten der Schwestern zu sammeln. Eine Woche später kam ich also in Lissabon an und wurde dort sehr herzlich von den Schwestern begrüßt! Da zu dieser Zeit der Plan noch stand, nach Brasilien zu gehen, konzentrierte ich mich die erste Zeit hauptsächlich darauf, die Sprache zu lernen. Die Schwestern zeigten mir aber auch die Stadt, wie zum Beispiel die Chritusstatue, die der aus Rio de Janeiro nachgebaut wurde. Also hatte ich doch zumindest ein wenig das Gefühl, in Brasilien zu sein.

Nach drei Wochen Sprachkurs, konnte ich die Sprache zumindest soweit, dass ich auch regelmäßig bei den Schwestern in die Projekte mitgehen konnte. Dafür war ich sehr dankbar, da ich dadurch die Möglichkeit hatte, die Projekte in Portugal kennenzulernen, obwohl zu dieser Zeit noch der Plan bestand, nach Brasilien zu gehen.

Das Hauptprojekt der Schwestern hier heißt São Nicolau und ist ein Zusammenschluss einiger Kirchen. Diese haben sich gemeinsam die Aufgabe gesetzt, die Not der Menschen zu lindern, die von Armut betroffen sind. So gibt es hier eine Kleiderausgabe, eine tägliche Essensausgabe, eine Verteilung von Lebensmittelkörben und mehrere Treffen, um miteinander zu beten, Spiele zu spielen, gemeinsam zu essen und sich einfach miteinander auszutauschen.

São Nicolau ist außerdem mit einem Art Studierendenwohnheim verbunden, so dass einige Studierende auch in den Projekten mitarbeiten. Allgemein liebe ich die Vielfältigkeit in São Nicolau! In den Projekten helfen extrem viele Leute aus Brasilien, Angola und noch vielen weiteren Nationen mit, so dass ich mich gar nicht so fremd fühle. Es ist jedes Mal extremst spannend, etwas über die anderen Kulturen und Gepflogenheiten zu erfahren. Dadurch habe ich, obwohl ich hier immer noch in Europa bin, doch die Möglichkeit auch etwas über andere Länder, außerhalb des Kontinents zu lernen.

Apropos Internationalität: Die zwei Kommunitäten der Schwestern, die es hier in Lissabon gibt, übtretreffen fast noch die Vielfältigkeit von São Nicolau! So kommen die Schwestern hier aus Indien, Fernost, Spanien, Ost-Timor, Indonesien und Argentinen.

Aber jetzt wieder zurück zu meinem Missionarin auf Zeit (MaZ)-Einsatz. Nachdem ich die ersten zwei Monate bei der Kommunität der Schwestern in Odivelas (einem Vorort von Lissabon) verbracht habe, aber immer noch nach Brasilien gehen wollte, erfuhr ich, dass die Probleme mit dem Visum doch größer waren, als anfangs angenommen. Nach mehreren Telefonaten und E-Mails mit meinen Ansprechpartnerinnen wurde deutlich, dass mein MaZ-Einsatz in São Paulo nicht funktionieren wird.

Da mein Aufenthalt in Lissabon nur vorrübergehend zum Erlernen der Sprache gedacht war, blieb einige Zeit lang unklar, wie es denn weitergehen kann. Das führte zu einer ziemlichen Verwirrung und Unsicherheit meinerseits. Diese Zeit war auf jeden Fall die schwerste meines bisherigen MaZ-Einsatzes, andererseits bestimmt auch eine der lehrreichsten… Dadurch, dass ich in dieser Zeit in der Luft hing und nicht genau wusste, wie es weitergehen sollte und auch kein gewohntes Umfeld um mich hatte, habe ich sehr viel über „Geduld haben” und „sich auf Andere verlassen müssen” erfahren. Ich lernte auch, dass Entscheidungen in einer Klostergemeinschaft anders gefällt werden, als ich das von der Schule oder dem Familienleben gewohnt war. Dabei habe ich aber auch gelernt, klar meine Meinung zu vertreten und sich an andere Umstände anzupassen. Mir ist auch bewusst geworden, dass man im Leben nicht alles beeinflussen kann, sondern ganz viel von äußeren Umständen abhängt. Dabei hat mir auch die Einstellung der Schwestern, „Gott wird schon wissen, was er tut”, geholfen, das anzunehmen.

Inzwischen hat sich die Situation geregelt und ich bin jetzt ganz offiziel in meinem MaZ-Einsatz in Portugal! Dafür bin ich Anfang Dezember in die Nähe der anderen Kommunität der Schwestern in Casal de Cambra (einem anderem Vorort von Lissabon) gezogen. Dort wohne ich jetzt aus Platzmangel nicht mehr direkt bei den Schwestern, sondern ganz in der Nähe bei einer älteren Dame und guten Freundin der Schwestern. Zuerst war ich darüber ziemlich traurig, da mir das Leben in der Kommunität sehr gut gefallen hat und ich die ersten Kontakte zu der Pfarrgemeinde in Odivelas geschlossen hatte. Andererseits ist die neue Gemeinde ebenfalls sehr lebhaft und extrem international! In dieser werde ich in Zukunft Katechese-Unterricht (eine Art Religionsunterricht am Samstag, da dieser in der Schule nicht unterrichtet wird) für jüngere Kinder geben dürfen.

In São Nicolau bin ich inzwischen auch fest eingebunden und helfe sowohl bei der Essensausgabe, dem Zusammenstellen der Essenskörbe, sowie den Treffen mit. In Zukunft werde ich an meinem freien Tag auch mit einer der Schwestern zu Krankenbesuchen mitgehen können. Inzwischen ist São Nicolau schon so eine Art zweite Familie für mich geworden. Und obwohl mein Portugiesisch noch etwas wackelig ist und ich noch Momente habe, in denen ich nicht alles verstehe, fühle ich mich dort sehr wohl. Besonders jetzt, da sich mein Wohnumfeld geändert hat und ich gerade dabei bin, mich wieder neu einzuleben, hilft es mir einen festen Ankerpunkt zu haben.

Lissabon selber gefällt mir sehr gut. Obwohl es eine Großstadt ist, gibt es hier sehr viele alte Gebäude und man sieht, zumindest im Stadtzentrum, fast gar keine Industrie. Und natürlich gibt es das Meer, was mein absolutes Highlight ist und wo ich auch jetzt im Winter gerne nach der Arbeit noch ein bisschen spazierengehe. Was mich hin und wieder noch schockiert, ist wie nah Armut und Reichtum hier zusammen liegen. So ist meine Einsatzstelle nur eine Straße von der großen Touristenmeile mit teuren Lokalen und Geschäften entfernt. Das war ich aus meinem Heimatort so nicht gewohnt.

Allgemein ist in Lissabon immer etwas los. Besonders jetzt, wo der Weltjugendtag 2023 in Lissabon  ansteht. Um sich auf dieses Ereignis vorzubereiten, gibt es schon sehr viele Aktivitäten. So war ich bereits mit ein paar anderen Freiwilligen aus São Nicolau in Guimarães (einer Stadt eher im Norden Portugals) und habe dort mit vielen anderen Jugendlichen über Freiwilligenarbeit geredet, Zeit mit Menschen aus einem Alternheim verbracht und natürlich den Glauben gefeiert. Allgemein habe ich das Gefühl, dass der Glauben hier in Portugal einen ganz anderen Stellenwert hat, besonders bei den jungen Menschen und deutlich aktiver gelebt wird. So wurde ich in Deutschland doch häufig komisch angeschaut, wenn ich von meinem MaZ-Einsatz über die Steyler Missonsschwestern erzählt habe. Hier dagegen stört es niemanden und die Leute sind eher neugierig und wollen mehr darüber erfahren. Auch wird hier gefühlt deutlich mehr über den Glauben gesprochen. Das liegt sicherlich auch daran, dass ich bei Schwestern gelebt habe. Aber auch unter den jüngeren Menschen herrscht eine viel größere Offenheit gegenüber dem Glauben, was für mich zunächst etwas befremdlich war, ich inzwischen aber sehr zu schätzen weiß!

Auch zum Körperkontakt gibt es hier ein komplett anderes Verhältnis. So war ich zu Beginn wirklich überrascht, dass sich die Leute zur Begrüßung und zum Abschied „Beijinhos“ (Küsschen) auf die Wange geben, die besonders bei den älteren Leuten nicht nur „Luftküsschen“ sind, sondern eher richtige Küsse. Und auch während den Gesprächen wird sich ganz häufig umarmt und berührt. Zunächst hatte ich damit ein paar Probleme und musste mich erst daran gewöhnen, aber inzwischen bin ich ganz häufig diejenige, die auf die Leute zugeht, um sie zu umarmen.

Diese Wärme, die die Menschen hier ausstrahlen, hat mir auch geholfen, das erste Weihnachtfest in einem fremden Land, weit weg von meiner Familie, gut zu verbringen. Auch dadurch, dass immer etwas los war, hat sich mein Heimweh relativ in Grenzen gehalten. So habe ich mit den Schwestern, ein paar Leuten aus der Gemeinde und mit vielen anderen Freiwilligen ein Weihnachtsessen für Menschen ohne Wohnsitz vorbereitet. Die Freude und Dankbarkeit der Menschen über diese Geste hat mich auf jeden Fall sehr berührt!

Den Weihnachtsabend habe ich dann ganz spontan bei den Schwestern und mit einer Gruppe Freund*innen von ihnen aus Ost-Timor und Indonesien verbracht. Diese haben mich alle total lieb in die „Familie” aufgenommen und da ich die Sprache leider nicht spreche, gab es immer jemanden, der mir für mich übersetzt hat. Letztendlich saßen wir dann noch bis 3 Uhr in der Früh zusammen und haben Weihnachtslieder in allen Sprachen gesungen. Obwohl ich den Großteil der Leute erst an diesem Abend kennengelernt habe, haben sie mir sofort ein Gefühl von Zuhause vermittelt und das ist auf jeden Fall etwas, was ich hier gelernt habe: Einfach öfters sagen, wenn man jemanden sysmpatisch findet und auch viel mehr auf neue Leute zugehen und nicht nur in seinem eigenen Kreis bleiben.

Ich bin auf jeden Fall extrem gespannt, wie es jetzt mit meinem MaZ Einsatz weitergeht! Besonders, da es ja doch irgendwie gerade erst losgegangen ist…

Ganz liebe Grüße und ganz viele Beijinhos
Eure Steffi