MaZ: In einer Stunde um die Insel

"St. Kitts and Nevis" sind zwei karibische Inseln der Region West Indies, die zusammen einen seit 30 Jahren von England unabhängigen Staat bilden. St. Kitts ist die größere Insel, auf der ungefähr ¾ der 45.000 Einwohner des Landes wohnen. Dort gibt es seit sieben Jahren eine Kommunität der Steyler Schwestern. Sie leben in dem kleinen Dorf Mollineux im Nordosten der Insel, direkt neben der Holy Family Church. Vor ungefähr sieben Wochen habe ich mich dorthin auf den Weg gemacht. Von Düsseldorf flog ich nach Miami. Weitere drei Flugstunden ging es Richtung Süden in mein Einsatzland. Auf dem kleinen Flughafen wurde ich herzlich von Schwester Odila und Schwester Julita empfangen.

Schon an meinem zweiten Tag hier hat Julita mit mir eine Rundfahrt gemacht, bei der sie mir alle wichtigen Orte sowie die vier katholischen Kirchen
gezeigt hat. Für die Umrundung der Insel haben wir trotz Zwischenstopps nur etwas mehr als eine Stunde gebraucht. Jetzt könnt ihr euch bestimmt
vorstellen, warum ich immer wieder schmunzeln muss, wenn jemand zu mir sagt: "This place is so far away." ("Dieser Ort ist so weit weg.")
Da meine Ankunft in die zweimonatigen Schulferien gefallen ist, hatte ich hier zwei Wochen Zeit, mich einzuleben, bevor die Schule begann. Ich habe die Zeit vor allem genutzt, um Sr. Odilas Arbeit in der Gemeinde kennenzulernen. Pünktlich zur ersten Septemberwoche und damit zum Schulstart traf
dann auch Sr. Margaret aus ihrem Heimaturlaub in Papua Neuguinea wieder ein und der Alltag begann.

Für mich bedeutet das jeden Montag, Donnerstag und Freitag in der Preschool, die unter Sr. Julitas Leitung steht, mitzuarbeiten. In diesem Semester ist die Klasse leider nur 13 Schüler stark, die im Alter zwischen 3 und 5 Jahren sind. Obwohl die Kinder noch klein sind, ist der Unterrichtstag schon streng strukturiert. Er beginnt mit der Begrüßung und dem Morgengebet um 8.30 Uhr; bis dahin sollten dann auch die Letzten eingetroffen sein. Danach folgt eine Spielzeit für drinnen, die mit einer Frühstückspause endet. Anschließend wird allmorgendlich gebastelt, wobei in Kleingruppen die verschiedenen Farben, Körperteile oder auch die ersten Buchstaben gelernt werden. Weiter geht es mit der Spielzeit für draußen, dem Mittagessen und dem Mittagsschlaf, sowie dem abschließenden Spiel in der Großgruppe. Danach warten alle Kinder am Essenstisch auf ihre Eltern. Um 16.30 Uhr ist der
Klassenraum wieder leer. Dieser kleine Raum befindet sich im Untergeschoß eines separaten Gebäudes auf dem Grundstück der Kirche. Eine Küche und ein Büro-/Garderobenraum für die beiden Lehrerinnen und Sr. Julita stehen zur Verfügung. Der Esstisch für die Schüler befindet sich draußen und das nicht-kindergerechte Badezimmer befindet sich in einem eigenen Häuschen abseits des Klassenraumes.
Aufgrund der oben beschriebenen Umstände haben sich die Steyler Missionarinnen entschieden, auf demselben Grundstück ein neues Gebäude nur für die "Holy Family Catholic Preschool" zu bauen. Es soll im Dezember fertiggestellt und eingeweiht werden. Lehrer, Eltern, Schwestern und Schüler freuen sich schon sehr darauf. Auch ich bin gespannt, denn das neue Gebäude bietet Platz für zwei Klassenräume, einen separaten Schlafraum, in dem die Betten der Kinder nicht jeden Tag aufgeräumt werden müssen. Badezimmer für die Kinder sind direkt an die Klassenräume angeschlossen. Ein extra Badezimmer für die Erwachsenen steht ebenso zur Verfügung wie zwei Büroräume, eine Waschküche, eine Küche und ein kleiner Raum für das Personal.

Zurück zu meinem Tagesplan:
Meine Dienstage verbringe ich in der Primary School Mollineux (vergleichbar mit unserer Grundschule), in der ich neben dem Unterricht eine Art Nachhilfe ("tutoring" genannt) anbiete. Diese wurde in den letzten Jahren von Schwester Margaret durchgeführt. Dies stellt sich als nicht ganz
einfach heraus, da es den Schülerinnen und Schülern schwerfällt, sich zu öffnen und direkt nach Hilfe zu fragen bzw. ihr Problem zu schildern. Aber ich war ja erst dreimal dort, da aufgrund des Independence Days einige Aktionstage ohne Unterricht in der Schule stattfanden. Ich hoffe, dass die Kinder "auftauen", wenn sie mich öfter treffen.
Mittwochsmorgens fahre ich zusammen mit Sr. Margaret in die Hauptstadt Basseterre. Margret unterrichtet dort in der katholischen Schule. Ich arbeite dann in der Suppenküche, die gemeinsam von vier Kirchengemeinden (der katholischen, der anglikanischen, der methodistischen und der moravischen (d.h. "mährische Brüder"/"Herrnhuter Brüdergemeine") betrieben wird. Hier werden jeden Tag knapp hundert Essen für Bedürftige gekocht. Etwa 15 bis 20 Frauen und Männer werden direkt in der Suppenküche bedient. Doch der Großteil der Essen wird von Freiwilligen abgeholt und an verschiedenen Stationen auf der Insel ausgeteilt. So nehme auch ich jeden Mittwoch zwei Suppen mit nach Mollineux, um zwei Männern eine warme Mahlzeit vorbeizubringen.
Nach den aufregenden Tagen, die ich mit den aufgeweckten Kindern in der Preschool verbringe, werde ich jeden Mittwoch an die traurige Realität vieler Arbeits-und Wohnungssuchender erinnert. Doch genauso werde ich auch jeden Mittwoch wieder mit einem Lächeln angesichts der wirklich leckeren Suppe belohnt.
Samstags (nach zwei weiteren Tagen in der Preschool) endet meine Arbeitswoche mit dem Kids Club, den Schwester Odila und ich von 11 bis 13 Uhr für die Kinder aus der Gemeinde anbieten. Dabei lesen und reflektieren wir das Evangelium des kommenden Sonntags, basteln und spielen gemeinsam.
Zudem gehe ich zu den Chortreffen und der St.-Vincent-de-Paul-Gruppe der Gemeinde. Diejenigen von euch, die mich gut kennen, werden nun aufgrund meiner unterdurchschnittlichen Gesangsstimme herzlich lachen. Doch der Chor ist vor allem dafür zuständig, die Lieder für die nächste Sonntagsmesse passend zu den Schriftlesungen auszusuchen. Diese zu üben, um sie in der Messe anstimmen zu können, ist der kleinere Teil des Treffens. Die Sonntagsmessen sind durch den Chor sehr feierlich gestaltet und dauern meist eineinhalb Stunden.


Auch die Gruppe des Workshops "Flower Arrangement" hilft mit, die Kirche für den Sonntag zu gestalten. Schwester Julita bietet diesen Workshop samstagsnachmittags auf Bitten der Gemeindemitglieder an. Ich habe das Gesteck im Bild rechts auf dem Altar gemacht.
St. Vincent de Paul ist eine internationale Gemeinschaft, die es sich zur Aufgabe macht, Kranke zu besuchen und zu unterstützen. In St. Kitts bedeutet dies regelmäßige Besuche mit Wortgottesfeiern und Kommunionausteilung im Krankenhaus, Pflege- und Altersheim sowie einige Hausbesuche. In meiner ersten Woche hier war ich mit Sr. Odila bei einer Runde Hausbesuche dabei. Vorletzten Sonntag waren wir mit einer Gruppe von acht Gemeindemitgliedern im Pflegeheim. Jedes Mal haben sich die Besuchten sehr über uns gefreut. Einige haben aus ihrem Leben berichtet, andere diskutierten mit uns über das Tagesevangelium und einmal haben wir Avocados aus dem eigenen Garten angeboten bekommen.

Die Schwesternkommunität ist aufgrund ihrer Internationalität ebenso vielfältig wie mein Wochenplan, sodass ich auch schon typisch brasilianisch und indonesisch (sehr scharf) gegessen habe. Sr. Margaret kennt außerdem die Rezepte für die hier typischen Früchte. Ich habe schon frittierte grüne Bananen, süße Kartoffeln und gekochte Breadfruit (Brotfrucht) probiert. Sehr gerne mag ich auch Jelly (Kokosnussfleisch der noch weichen Kokosnuss), Sternfrucht und Goaba (kleine grüne Frucht mit rotem, süßem Fleisch, dt. Guave). Auch ich hatte schon eine Woche Kochdienst. Der Gasherd und vor allem der Gasofen sowie das hier gängige amerikanische Maß "Cups" ("Tasse") anstelle der von mir gewohnten Küchenwaage waren schon eine Umstellung. Da es hier keinen Quark gibt, ist mein Käsekuchen leider nicht so gelungen wie ich es mir gewünscht habe.
Zwischenzeitlich hatte ich schon das Gefühl, dass der Ofen gar nicht nötig ist, denn man hat hier um die Mittagszeit in der Sonne schon genug Hitze. Mittlerweile habe ich mich aber ein wenig an das heiße Klima gewöhnt. Und es hat, seit ich hier bin, auch schon etwas abgekühlt: Wir liegen
zurzeit bei 30° Celsius. Dazu kommt der obligatorische Platzregen, der jeden Tag einmal vom Himmel kommt und durch eine kräftige Windböe angekündigt wird. Dabei werden unglaubliche Wassermassen von den Bergen durch die Straßen direkt in den Ozean gespült. Und obwohl der Regen für regelmäßige Stromausfälle sorgt und auch schon einmal zu einer Störung des Leitungswassers geführt hat, sind die Kittianer in diesem Jahr ziemlich glücklich, denn es gab noch keinen echten Hurrikan. Die Sturmsaison dauert aber noch bis November.

Und zum Schluss noch zwei Weisheiten der Gesellschaft auf St. Kitts:
1. Jemand, der zu einem um vier Uhr angesetzten Treffen um halb fünf kommt, ist "on time" (pünktlich).
2. Kannst du den Regen in Bindfäden vom Himmel kommen sehen, sind alle Treffen, Messen oder Chorproben automatisch abgesagt.

- Kathrin