MaZ: Vom Plastiktüten-Kulturschock über 'Little Mexico' und Halloween

Seit sechs Wochen lebe und arbeite ich jetzt schon in Chicago im Stadtteil Rodgers Park und die Tage vergehen teilweise wie im Flug. Meine Ankunft war sehr herzlich und ich habe mich schnell eingelebt. Ich erlebe und lerne jeden Tag neue Dinge, besonders über mich selbst.

Nachdem ich meinen Jetlag überwunden hatte, konnte ich mich dann auch voll und ganz auf meine Arbeit konzentrieren, die sich einerseits daraus zusammensetzt, dass ich im Life-Learning-Center die Kinderbetreuung leite und ESL (English as a second language) Unterricht gebe, denn die Frauen und Männer sprechen meistens nur Spanisch.
Andererseits verbringe ich viel Zeit in "Little Mexico". "Little Mexico" ist nicht, wie vielleicht es vermuten lässt, ein Stadtteil oder Ähnliches. Es ist ein Second-Hand-Shop, der von den Schwestern geleitet wird und wo man so gut wie alles finden kann; teilweise sogar wahre Schätze.

Der Laden befindet sich etwas außerhalb von Chicago und ist sehr wichtig für die Menschen aus der Umgebung, denn sie können dort günstig Kleidung kaufen, aber auch Möbel. Ebenfalls gibt es einen kleinen Raum, wo Lebensmittel lagern, die diese Menschen umsonst mitnehmen können. Zuerst war ich etwas überrascht, dass die Schwestern auch Essen bereitstellen, aber ich habe schnell verstanden, dass dies die größte Not der Menschen ist. Sie sind dankbar für jedes Brot, jedes Obst oder Gemüse.
Ich kann sagen, dass die Kundschaft wohl eher eine kleine Gemeinschaft ist, denn viele verbringen viel Zeit in dem kleinen Laden, um mit den Schwestern zu reden, Nachbarn zu treffen oder einfach um zu gucken.
Und auch hier ist der Großteil der Menschen, die zu uns kommen, aus Mexiko. Und ich lerne die mexikanische Kultur in vollen Zügen kennen und lieben. (Ich habe hier den liebevollen spanischen Spitznamen "Fabiola" erhalten). Nur an das scharfe mexikanische Essen (Früchte mit Tabasco-Sauce) müssen meine Geschmacksnerven sich noch gewöhnen.

Leider sind meine Spanischkenntnisse sehr gering, womit ich ein wenig zu kämpfen habe. Aber es hat sich die Möglichkeit eröffnet, dass ich freitagabends einen Spanischkurs besuchen kann. Spanisch möchte ich auch erlernen, weil ich jeweils montags und sonntags in der Jugendgruppe "Esperanza Latina" bin, die zur naheliegenden Gemeinde "St. Jerome" (Hl. Hieronymus) gehört.
Die Jugendlichen sind Gleichaltrige, deren Eltern von Mexiko in die USA immigriert sind. In der Jugendgruppe merke ich besonders, wie der Glaube in der mexikanischen Kultur gelebt wird und ich genieße die volle Lebendigkeit, denn es wird viel gesunden, geredet und gelacht. Ich bin beeindruckt, wie christliche Werte vermittelt werden können.

Doch nicht nur die mexikanische Kultur lerne ich kennen, auch die US-amerikanische. Die Menschen hier sind alle sehr freundlich und anfangs habe ich mich gewundert, warum man immer fragt, wie es mir geht, bis ich verstanden habe, dass man das einfach so macht und als Antwort erwartet "Thanks, I am fine."
Einen kleiner Kulturschock habe ich jedoch erlitten, als ich mit Sr. Angelica das erste Mal einkaufen gegangen bin. Denn die Kassierer sortieren alles großzügig in Plastiktüten ein und es ist normal, wenn man zehn Plastiktüten nach einem Supermarkteinkauf in der Hand hat, obwohl man nur neun Dinge gekauft hat. Seitdem versuche ich immer an meinen Jutebeutel zu denken und bin froh, dem Kassieren sagen zu können: "I don’t need a plastic bags."

Begeistert bin ich von den vielen Festen der US-Amerikaner, die wir auch im Life-Learning-Center feiern. Momentan steht Halloween vor der Tür. Die Kinder sind ganz aufgeregt, weil sie sich verkleiden dürfen und von Tür zu Tür gehen und nach "Trick or Treat" fragen dürfen. Die Häuser sind groß in orange und lila geschmückt und manche Vorgärten sind wahre Kunstwerke. Immer wenn ich kann, gehe ich spazieren, fahre Fahrrad oder gehe joggen, um alles zu entdecken.
Chicago ist eine tolle Stadt, es gibt viel zu sehen und ich bin dankbar für jede Begegnung, die ich miterleben darf. Ich genieße das Leben mit den Schwestern voll und ganz und bin froh, den Schritt gegangen zu sein, ein Jahr hier helfen zu können.

- Fabienne